Christoph Geiser

Brachland

Roman. Werkausgabe
Cover: Brachland
Secession Verlag, Zürich 2022
ISBN 9783966390521
Gebunden, 290 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

In Brachland, 1980 erstveröffentlicht, knüpft Christoph Geiser nahtlos an das in Grünsee begonnene autobiographische Dekonstruktionsnarrativ an und rückt den "Zerfall der Familie" nun vollends in den Mittelpunkt, weshalb bald von den "Basler Buddenbrooks" die Rede war. Brachland kann mit Recht als einer der herausragenden Familienromane der Schweizer Literatur bezeichnet werden. Am schillernden Beispiel seiner baselbernischen Herkunftsgeschichte legt der Ich-Erzähler Stück für Stück die sowohl Heuchelei und Verdrängungsmentalität als in vielerlei Hinsicht auch Lieb- und Leblosigkeit kaschierende Fassadenhaftigkeit des Großbürgertums kompromisslos bloß. Geiser kommt dabei ohne die Geste der pathetischen, unversöhnlichen Abrechnung aus. Was für den Text einnimmt, sind gerade die minutiös gestalteten und bei aller Kritik an der schier einschnürenden Enge des bürgerlich-liberalen Elternhauses stets liebevollen Figurenzeichnungen sowie der melancholisch-reflektierte Ton. Brachland ist der große Roman einer kontinuierlichen Entfremdung und einer paradoxerweise geteilten Einsamkeit, der sprachlich gewandt von erstickendem innerfamiliärem Schweigen und insbesondere der schmerzhaften Nicht-Beziehung zwischen Vater und Sohn erzählt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.01.2023

Trotz feuilletonistischer Anerkennung gelang dem Schweizer Autor Christoph Geiser nie der große Durchbruch, bedauert Rezensent Philipp Theisohn und hofft zugleich, dass sich dies mit der von Moritz Wagner und Julian Reidy besorgten, auf dreizehn Bände angelegten Werkausgabe ändern könnte. Die in den achtziger Jahren veröffentlichten Romane "Grünsee" und "Brachland" sowie der 2013 publizierte Roman "Schöne Bescherung" sind bereits erschienen und Theisohn rät dringend zur Lektüre. Denn die Zeit dürfte jetzt reif sein für Geisers "radikal autobiografisches" Schreiben, auch wenn der Schweizer Autor in seiner Prosa anders als etwa Ernaux, Ditlevsen oder Knausgard auf einen in der Vergangenheit liegenden, abgeschotteten "helvetischen Kosmos" blickt, erläutert der Rezensent. Der Zugang zu Geisers "Selbstlebenserschreibung" ist dementsprechend zwar ein wenig mühsam, warnt der Kritiker vor, der sich aber schnell mitreißen lässt. Ob Geiser vom Niedergang der bürgerlichen, mit den Nazis verbandelten Familie seiner Großeltern erzählt, die Traumata der Eltern beschreibt oder die Krebserkrankung seiner Mutter zum Anlass für einen Roman nimmt - stets ist ihm das Sentimentale fremd, versichert Theisohn. Vielmehr ist das Werk geprägt von einer "demütigen Distanz zur seelischen Erschütterung" und nicht zuletzt von "bestechender Klugheit", schließt  er.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 24.10.2022

Angela Gutzeit widmet sich in einer ausgesprochen umfangreichen Besprechung der im Secession Verlag erscheinenden Werkausgabe des schweizerischen Ausnahmeautors Christoph Geiser. Diese Werkausgabe ist nicht chronologisch aufgebaut, sondern themenzentriert und ermöglicht dadurch, wie Gutzeit erklärt, die ersten drei Bände "Grünsee", "Brachland" und "Schöne Bescherung" in ihren Gemeinsamkeiten zu sehen: Die Beschäftigung mit der eigenen Familie und der Homosexualität, nicht nur des Autors, spielen immer wieder eine Rolle. Erzählerisch gefällt Gutzeit bei den drei Bänden, die alle auch vom Zerfall einer Familie handeln, die vordergründige Beiläufigkeit, die erlaube, die Geschichten in ihrer klugen Doppelbödigkeit zu begreifen, in denen immer wieder reale Vorbilder zu erkennen seien. Ausführlich rekapituliert die Rezensentin die Inhalte wie auch die Lebensumstände Geisers und macht dadurch Kontinuitäten und Entwicklungen in seinem Werk deutlich und verständlich. Mutig und radikal findet Gutzeit das und freut sich auf die zehn noch kommenden Bände mitsamt lohnenswerten Nachworten.
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