Christoph Geiser

Grünsee

Roman. Werkausgabe.
Cover: Grünsee
Secession Verlag, Zürich 2022
ISBN 9783966390507
Gebunden, 260 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Moritz Wagner und Julian Reidy. Der erlesenen Reihe der in Zeiten von Covid-19 wiederentdeckten Seuchenliteratur gilt es mit der Neuedition von Christoph Geisers Romandebüt "Grünsee" ein weiteres Werk der jüngeren Literaturgeschichte hinzuzufügen. Der erstmals 1978 publizierte Text markiert Geisers internationalen Durchbruch als Schriftsteller und bildet den Auftakt seines bei Leserschaft und Kritik gleichermassen gefeierten autobiografischen Schreibprojekts "Rückkehr zur Herkunft", das über vier Jahrzehnte nach Erscheinen nichts von seiner Faszinationskraft verloren hat. Vor der symbolträchtigen Kulisse des Matterhorns verwebt der jährlich zum Skifahren nach Zermatt zurückkehrende Erzähler auf einer dreitägigen Erinnerungsrecherche geschickt die subtile Rekonstruktion der die Schweiz erschütternden Typhus-Epidemie von Zermatt des Jahres 1963 mit der gleichzeitigen Dekonstruktion seiner nur scheinbar 'heiligen' und von ganz anderen Erschütterungen heimgesuchten großbürgerlichen Familie. In der mithin gleich doppelten Verfallsgeschichte diagnostiziert Geiser vor der Folie der Typhus-Epidemie mit erzählerischer Souveränität die gleichsam schreiende Sprachlosigkeit als die eigentliche Familienkrankheit.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.01.2023

Trotz feuilletonistischer Anerkennung gelang dem Schweizer Autor Christoph Geiser nie der große Durchbruch, bedauert Rezensent Philipp Theisohn und hofft zugleich, dass sich dies mit der von Moritz Wagner und Julian Reidy besorgten, auf dreizehn Bände angelegten Werkausgabe ändern könnte. Die in den achtziger Jahren veröffentlichten Romane "Grünsee" und "Brachland" sowie der 2013 publizierte Roman "Schöne Bescherung" sind bereits erschienen und Theisohn rät dringend zur Lektüre. Denn die Zeit dürfte jetzt reif sein für Geisers "radikal autobiografisches" Schreiben, auch wenn der Schweizer Autor in seiner Prosa anders als etwa Ernaux, Ditlevsen oder Knausgard auf einen in der Vergangenheit liegenden, abgeschotteten "helvetischen Kosmos" blickt, erläutert der Rezensent. Der Zugang zu Geisers "Selbstlebenserschreibung" ist dementsprechend zwar ein wenig mühsam, warnt der Kritiker vor, der sich aber schnell mitreißen lässt. Ob Geiser vom Niedergang der bürgerlichen, mit den Nazis verbandelten Familie seiner Großeltern erzählt, die Traumata der Eltern beschreibt oder die Krebserkrankung seiner Mutter zum Anlass für einen Roman nimmt - stets ist ihm das Sentimentale fremd, versichert Theisohn. Vielmehr ist das Werk geprägt von einer "demütigen Distanz zur seelischen Erschütterung" und nicht zuletzt von "bestechender Klugheit", schließt  er.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 24.10.2022

Angela Gutzeit widmet sich in einer ausgesprochen umfangreichen Besprechung der im Secession Verlag erscheinenden Werkausgabe des schweizerischen Ausnahmeautors Christoph Geiser. Diese Werkausgabe ist nicht chronologisch aufgebaut, sondern themenzentriert und ermöglicht dadurch, wie Gutzeit erklärt, die ersten drei Bände "Grünsee", "Brachland" und "Schöne Bescherung" in ihren Gemeinsamkeiten zu sehen: Die Beschäftigung mit der eigenen Familie und der Homosexualität, nicht nur des Autors, spielen immer wieder eine Rolle. Erzählerisch gefällt Gutzeit bei den drei Bänden, die alle auch vom Zerfall einer Familie handeln, die vordergründige Beiläufigkeit, die erlaube, die Geschichten in ihrer klugen Doppelbödigkeit zu begreifen, in denen immer wieder reale Vorbilder zu erkennen seien. Ausführlich rekapituliert die Rezensentin die Inhalte wie auch die Lebensumstände Geisers und macht dadurch Kontinuitäten und Entwicklungen in seinem Werk deutlich und verständlich. Mutig und radikal findet Gutzeit das und freut sich auf die zehn noch kommenden Bände mitsamt lohnenswerten Nachworten.
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