Egon Bondy

Die ersten zehn Jahre

Cover: Die ersten zehn Jahre
Guggolz Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783945370414
Gebunden, 236 Seiten, 23,00 EUR

Klappentext

Aus dem Tschechischen von Eva Profousová. Nachwort und Gedichtauswahl von Jan Faktor, übersetzt mit Annette Simon. Egon Bondy (1930-2007) galt als "Vater des tschechischen Undergrounds", der zeitlebens als radikalverweigernder Außenseiter zwischen allen Stühlen saß. Sein wilder und ehrlicher Erinnerungstext "Die ersten zehn Jahre" kam zustande, da Freunde und Verehrer Bondy dazu drängten, seine Perspektive auf die ereignisreichen Nachkriegsjahre und seine Erlebnisse festzuhalten. Entstanden ist ein Bericht über die Zeit zwischen 1947 und 1957, der zugleich ein Portrait der tschechischen Avantgarde zeichnet: radikal subjektiv, formal und inhaltlich provozierend. Es ging diesen Avantgardisten ums Ganze - ihre Lebensverhältnisse waren während der Errichtung einer "neuen sozialistischen Gesellschaft" prekär, die Gefahr der Verhaftung und Repression schwebte bei ihrem ausschweifenden, alle Normen missachtenden Lebensstil fortwährend über ihnen, der aufbegehrende, mit Vorliebe ordinär-primitive, antipoetische literarische Ausdruck ging weiter als alles zuvor. Inmitten der sich zusammenschnürenden politischen Verhältnisse in der Tschechoslowakei der 1950er Jahre beschreibt Bondy allerdings auch entfesselte Räume der Freiheit. Sexuell wie künstlerisch wurden Grenzen gesprengt, was eine Rückkehr in die Bürgerlichkeit unmöglich machte.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.09.2023

Rezensent Tilman Spreckelsen liest den autobiografischen Bericht des Bohemiens Egon Bondy mit Interesse. Die Jahre 1947-1957, als er sich als Agent und Autor in Wien und Prag versuchte und sich in die Tochter von Kafkas Freundin Milena Jesenska verliebte, schildert Bondy laut Spreckelsen fragmentarisch und ohne viel Selbstreflexion, dafür mit umso mehr Leidenschaft. Das Erinnerungsbuch ist von Eva Profousova elegant übersetzt und mit einem informativen Nachwort von Jan Faktor versehen worden, lässt uns Spreckelsen wissen.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.07.2023

Auf einen wilden Ritt durch eine von ideologischen Wirrungen, Rauschmitteln und Frauengeschichten geprägte Lebensdekade des tschechischen Literaten Egon Bondy begibt sich Rezensent Paul Jandl. Bondy erzählt von den Jahren 1947 bis 1957, hat seine Erinnerungen jedoch erst viele Jahre später, im Jahr 2002, niedergeschrieben. Unter anderem geht es um eine Liebesbeziehung zu Milena Jesenská, die heute vor allem aufgrund ihres Briefwechsels mit Franz Kafka bekannt ist, aber auch um Bondys erste literarische Gehversuche und das prekäre Leben von Widerständlern in der ab 1948 mit stalinistischer Härte regierten Tschechoslowakischen Republik, lesen wir. Lobend erwähnt Jandl Eva Profousovás sprachlich eindrückliche Übersetzung sowie das von Jan Faktor verfasste Nachwort. Letzteres gebe unter anderem Hinweise darauf, warum die Autobiografie nur bis ins Jahr 1957 reicht: Bondy wurde in den 1990er Jahren als langjähriger Mitarbeiter der tschechoslowakischen Staatssicherheit enttarnt, seine Spitzelberichte hatten mehrere Kollegen aus dem Widerstand ins Gefängnis gebracht.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.06.2023

Rezensent Stephan Wackwitz rechnet es dem Guggolz Verlag hoch an, ein weiteres Mal den Fokus auf einen intellektuellen Werdegang aus dem osteuropäischen Bereich zu lenken. In der deutschen Neuübersetzung von Eva Profousavá liegt nun die Biografie des tschechischen Avantgarde-Schriftstellers, Philosophen und "Bohemien" Egon Bondy (bürgerlich Zbyněk Fišer) vor, ein "intellektueller It-Boy" im Prag der Nachkriegszeit, der hier im Jahr 1981 auf den sozialen "Höllensturz" Tschechiens nach 1948 zurückblickte, erklärt Wackwitz. Dabei gehe es im Kern um die Resilienz der damaligen Künstler- und Intellektuellenszene in Form von Humor und Selbstironie, aber auch um Bondys Leben zwischen Verfolgung, Armut, Alkoholismus und künstlerischem und sozialem "Überlebenswillen", zählt Wackwitz auf - intellektuelle Einsichten beruhten hier nicht selten auf psychischen Grenzerfahrungen, wie der Kritiker in vielen Passagen des Buchs liest. Ergänzt werde Bondys reiche Darstellung um Tagebucheinträge und Gedichte des Schriftstellers, wie auch um ausführliche Anmerkungen und ein erhellendes Nachwort von Jan Faktor, was diese Neuausgabe für Wackwitz umso lesenswerter macht.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 27.05.2023

Ein Buch mit besonderer Entstehungs- und Publikationsgeschichte hat Rezensent Enno Stahl da vor sich: Der tschechische Autor Egon Bondy hat hier seine Erlebnisse als Prager Bohèmien in einer wilden Literaturszene kurz nach dem Zweiten Weltkrieg niedergeschrieben, seine literarischen Werke wurden in der sozialistischen Tschechoslowakei illegal verlegt und genießen heute Legendenstatus. Stahl freut sich, dass der Berliner Guggolz Verlag ihm die Erlebnisse um die Fragen nun näherbringt, wie man aus beschränkten Lebensmittelmarken noch das beste rausholt oder wie eine "Amour fou am Rande des Existenzminimums" aussehen kann. Wie trotzig-sarkastisch und dabei immer auch selbstkritisch Bondy über diese Erlebnisse wie auch seine Alkoholsucht schreibt, überzeugt den Kritiker von dessen "literarischer Größe." Auch das Nachwort des Schriftstellers Jan Faktor überzeugt ihn: Dieser benennt Bondy als zu Unrecht unbekannteres tschechisches Pendant zur amerikanischen Beatliteratur. Dem kann sich Stahl nur anschließen und hofft, dass diesem Buch noch weitere Neuentdeckungen folgen werden.