Elke Schmitter

Veras Tochter

Roman
Cover: Veras Tochter
Berlin Verlag, Berlin 2006
ISBN 9783827006424
Gebunden, 128 Seiten, 16,00 EUR

Klappentext

Aus dem provinziellen Alltag einer westdeutschen Kleinstadt, einer gewöhnlichen Kindheit, einer noch gewöhnlicheren Jugend verschlägt es Elke Schmitters neueste Protagonistin in die WG-Provinz des alten Westberlin, von dort zieht sie - es hält sie ja schließlich nichts - nach Köln, arbeitet bei einer Musikagentur, versucht sich als literarische Übersetzerin, sieht ohne größere Widerstände die nächste Beziehung schwinden.
Was, wenn das größte Rätsel eines bislang nur wenig gelebten Lebens plötzlich in einem Roman gelöst zu werden scheint? Was, wenn man ein Buch aufschlägt und dort sich selbst entdeckt, die eigene Mutter - und vor allem den verschwundenen Geliebten, der anscheinend unter die Räder geraten ist, ganz wörtlich genommen. Was, wenn Leben und Literatur zusammenfallen, die Literatur dem Leben die Fakten liefert? Was, wenn ...

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.08.2006

Richtig vom Hocker gehauen hat Elke Schmitters dritter Roman den Rezensenten Wolfgang Schneider nicht, trotzdem empfiehlt er, ihn zu lesen. Die Geschichte sei zwar lohnend, die Konstruktion allerdings bezeichnet er als "unglücklich". "Veras Tochter" greift auf die Geschichte in Schmitters viel gelobten Debütroman "Frau Sartoris" zurück, was den Rezensenten zu der Vermutung veranlasst, die Autorin wolle so nach ihrem weniger gelungenem zweiten Werk an die Erfolge des ersten anknüpfen. Diese komplizierte Rahmenkonstruktion könne allerdings das Lesen erschweren, denn um "Veras Tochter" zu verstehen, müsse man sich auch in der Handlung von Schmitters Erstling genau auskennen. Stilistisch gibt es für die "schlackenlose Prosa" überwiegend Lob, von Zeit zu Zeit stoßen dem Rezensenten "schiefe Vergleiche" und erzwungene Konstruktionen auf. Beeindruckt war Schneider von der gelungenen Schilderung der miefigen Atmosphäre in einer westdeutschen Kleinstadt. Schmitter ist für Schneider auch eine der wenigen deutschen Autorinnen, die noch Liebesgeschichten schreiben können. Schließlich meint der Rezensent sogar eine Verwandtschaft mit Max Frisch, dem "Beschreibungskünstler von Affären, Seitensprüngen und Ehemalaises aller Art", auszumachen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.07.2006

Das hat Rezensentin Kristina Maidt-Zinke noch nicht erlebt: Eine Autorin, die in ihrem dritten Roman für ihren ersten wirbt. Nachdem Elke Schmitters Debütroman "Frau Sartoris" überraschend erfolgreich war, der zweite diesem aber nicht das Wasser reichen konnte, begebe sich die Autorin mit "Veras Tochter" wieder auf das "vertraute Terrain" der Provinz. Die Hauptfigur Katharina, also Veras Tochter, glaubt, dass in "Frau Sartoris" die Geschichte ihrer Mutter erzählt werde. Realität und Fiktion vermischen sich so unauflöslich miteinander. Maidt-Zinke unterstellt der Autorin, diese ungewöhnliche Konstruktion zu bemühen, um die äußerst positiv ausgefallenen Kritiken zu ihrem ersten Roman noch einmal gesammelt zu veröffentlichen. Dabei vermisst die Rezensentin eine "ironische Distanz", die auch Schmitters Erzähltalent und Sprachkunst nicht wettmachen können. Um "Veras Tochter" richtig verstehen zu können, müsse man nämlich Schmitters Erstling gelesen haben, was die Rezensentin auf den Gedanken bringt, ob hier nicht eine gute Portion marktwirtschaftlichen Kalküls die Feder geführt habe.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.06.2006

Geradezu begeistert äußert sich Rezensentin Barbara von Becker über Elke Schmitters neuen Roman "Veras Tochter", den sie als einen "Fortsetzungsroman der anderen Art" beschreibt. Fortsetzung insofern, als Katharina, die Romanheldin von "Veras Tochter", in einem Roman - Elke Schmitters Debüt "Frau Satoris" - ihre eigene Biografie wiederzufinden glaubt: die triste Kindheit und Jugend in einer westdeutschen Kleinstadt, die Flucht der Tochter aus der familiären Enge in die große Liebe, das plötzliche Verschwinden des Geliebten, der offensichtlich von der Mutter überfahren wurde. Becker liest den Roman nicht nur als Geschichte einer pathologischen Mutter-Tochter-Beziehung. Sie findet darin auch eine spannende Sozialgeschichte des bürgerlichen Lebens in der westdeutschen Provinz von den 60er Jahren bis heute wieder. In diesem Zusammenhang unterstreicht sie auch, dass Schmitters selbstreferenzielles Spiel mit "Frau Satoris" mehr ist als nur "kokett-ironisches Selbstzitat". Beeindruckt hat sie aber vor allem das sprachliche Talent der Autorin, der es gelinge, die Eindrücke, Erkenntnisse und Emotionen ihrer Protagonistin präzise in einem inneren Monolog zu schildern und in "stilistisch makellos unaufgeregte Gedankenprosa" zu packen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.04.2006

Es bedarf schon eines gewissen Selbstbewusstseins, meint der Rezensent Gerrit Bartels, um so früh in einer Schriftstellerkarriere derartig selbstreferentiell zu werden. So wie Elke Schmitter, die in ihrem dritten Roman die Tochter der Frau Sartoris aus ihrem gleichnahmigen Bestseller-Roman in Szene setzt, jene Tochter, die Marcel Reich-Ranicki im "literarischen Quartett" (und zum wiederholten Male in diesem Roman) für blass und überflüssig erklärte. Blass, so der Rezensent, ist Veras Tochter immer noch, aber absichtlich, als "urbane Durchschnittsfrau", der plötzlich aufgeht, dass Vera Sartoris im wirklichen Leben ihre eigene Mutter sein muss - was weitreichende Konsequenzen hat. Diese verspiegelte Konstellation nimmt sich für den Rezensenten allzu "schön zitatistisch" aus und wäre sicher anmaßend, wenn Schmitter die Verstrickung von Literatur (der eigenen) und der Realität (beziehungsweise das, was im vorliegenden Roman als Realität ausgegeben wird) nicht so gekonnt gemeistert hätte, dass ihre "ambitionierte Romankonstruktion" schließlich "wie aus einem Guss" wirkt. Und auch wenn sie manchmal ein wenig zu dick aufträgt und da erzählerisch nachlegt, wo sie eigentlich schon deutlich genug war - "Veras Tochter" verdient in den Augen des Rezensenten die gleiche Beachtung wie ehedem "Frau Sartoris".
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