Ernst Jünger

Kriegstagebuch 1914-1918

Cover: Kriegstagebuch 1914-1918
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2010
ISBN 9783608938432
Gebunden, 656 Seiten, 32,95 EUR

Klappentext

Ernst Jüngers Frontbericht "In Stahlgewittern" ist neben Erich Maria Remarques Roman "Im Westen nichts Neues" das berühmteste deutschsprachige Buch über den Ersten Weltkrieg. Die "Stahlgewitter" sind jedoch kein rein fiktionales Werk, sondern basieren auf den 15 Tagebuchheften, die Jünger während des Krieges von der ersten Fahrt an die Front am Jahreswechsel 1914/15 bis zu seiner letzten Verwundung im August 1918 kontinuierlich führte. Der Verlauf vieler Tage wird nur in kurzen Notizen festgehalten, die Kampfeinsätze in den großen Schlachten werden hingegen erzählerisch vergegenwärtigt: Persönliches steht neben Militärischem, Empfindsames neben Martialischem, Amouröses neben Barbarischem, Anrührendes neben Abstoßendem. Und bei alledem lässt sich mitverfolgen, wie die Erfahrungen des Krieges von Jünger psychisch verarbeitet und stufenweise literarisiert wurden

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.11.2010

Roman Bucheli zitiert Ernst Jünger: Als "Tee in Krümeln" beschreibt der einmal seine Tagebuch-Notizen, die in den ausgearbeiteten Werken wie in heißem Wasser erst so richtig "ihr Aroma erschließen". Eine zutreffende Metapher für das Verhältnis von Ernst Jüngers nun erstmals nach der Handschrift edierten Kriegstagebüchern und ihrer ausgearbeiteten "In Stahlgewittern"-Fassung ist das nach Ansicht des Rezensenten jedoch nicht. Nachvollziehbar werde nunmehr vielmehr exemplarisch, wie Jünger in der umschreibenden Relektüre seine unmittelbaren, manchmal geradezu "klinisch kalten" Notizen einer "poetischen Selbststilisierung" unterzieht. Für den Rezensenten allemal ein Grund, erstere vorzuziehen, wie er an einem drastischen Beispiel vorführt, in dem Jünger beschreibt, wie der Soldat, der ihn rettend davonträgt, ihm "unter dem Leibe weggeschossen wird" (Zitat aus dem Tagebuch). Doppelt interessant also, so Bucheli, diese Veröffentlichung: als gelungener(er) Text und als Schlüssel zu den Umarbeitungsverfahren des Autors.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.10.2010

Hoch interessant findet der hier rezensierende Stefan-George-Biograf Thomas Karlauf diese nun erschienenen Original-Aufzeichnungen Ernst Jüngers aus seinen Kriegsjahren. Einerseits seien sie natürlich für sich aufschlussreich, ungefiltert erlebe man hier die Reaktionen des jungen Manns auf die Gräuel, die er vorerst noch nicht ins Ästhetische wegdrückt: es gibt eine Genauigkeit und Klarheit der Beschreibung, in der Karlauf eine "therapeutische" Funktion erkennt. Andererseits - und mehr noch - sei diese Edition spannend wegen des Einblicks in die Arbeitsweise des Autors Ernst Jünger. Nun nämlich könne man sehr genau diese Erstfassungen von Erlebnissen mit ihrer Bearbeitung im Front-Klassiker "In Stahlgewittern" vergleichen. Und dabei, findet Karlauf, sehr gut erkennen, wie vieles tatsächlich später wegästhetisiert und wie dadurch das Erlebnis wirklich auch sowohl verharmlost als das eigene Tun heroisiert wird. Als "mustergültig" lobt der Rezensent die Edition, die der Jünger-Biograf Helmuth Kiesel besorgt hat.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.09.2010

Noch nie wirkte Ernst Jünger auf Steffen Martus "so banal und zugleich so merkwürdig", so "geheimnislos und zugleich so unheimlich" wie in diesem Tagebuch aus dem Ersten Weltkrieg. Vor allem deshalb, weil Jünger eigenem Bekunden zufolge nicht aus Interesse an Politik und Ideologie, sondern aus reiner Abenteuer- und offenbar schierer Mordlust in den Krieg gezogen sei. Höchst trivial findet der Kritiker auch Jüngers zum Ausdruck kommenden Kitzel, nach einem opferreichen Kriegstag weiterzuleben. Gegen die Realität des Massen- und Materialkrieges fantasiere Jünger tödliche Zweikämpfe, und nervt den Kritiker darüber hinaus mit großer emotionaler Kälte und Herrenreiterposen. Auch literarisch findet Steffen Martus das Werk eher unbefriedigend: "blasse Adjektive, unpassende Vergleiche, bilderarme Sprache" führen seine Mängelliste an, obwohl er auf jeder der über 600 Seiten einen unbedingten und scheinbar vergeblichen Willen zum Stil bei diesem Autor spürt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.09.2010

Als "monströs" in ihrer forcierten "Sachlichkeit" erscheinen Lothar Müller die nun erschienenen Tagebücher aus dem Ersten Weltkrieg von Ernst Jünger, die dessen berühmten "Stahlgewittern" als Grundlage gedient haben. Zwei Kräfte sieht der Rezensent beim Tagebuchschreiber am Werk: sich im Krieg "auszuzeichnen" und sich in "Ungerührtheit und Indifferenz" zu trainieren. Dass Jünger dabei keineswegs von nationaler Begeisterung beseelt war, ist für Müller offensichtlich, und er ist davon überzeugt, dass der junge Soldat sich vor allem in einer "Flucht vor dem Frieden", wie Robert Musil es der Generation der kriegsbegeisterten Soldaten diagnostizierte, übt. Der "Furor der Ungerührtheit", der den Verfasser auch schon mal in Erwägung ziehen lässt, sich aus einem gefundenen Handknochen eine Zigarettenspitze machen zu lassen (nur der Verwesungsgeruch hält ihn davon ab), ist für den befremdeten Rezensent dann auch nichts anderes als ein "als Sachlichkeit maskiertes Triumphgeheul des Überlebenden".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.09.2010

Als Vergleichsmaterial zu Ernst Jüngers "Stahlgewittern" machen diese Tagebücher für den Rezensenten Sinn: Flapsig notiertes Rohmaterial hier, ideologisch aufpoliertes Abenteurertum dort. Ansonsten aber sind die kaltschnäuzigen, "heute zynisch" erscheinenden Notate über Tod und Verwundung im Krieg für Daland Segler nur schwer zu ertragen. Wozu eine solche Veröffentlichung? Die Buchhändlerin erklärt's dem Rezensenten: Die "Stahlgewitter" gingen noch immer recht gut.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.09.2010

Nicht der abgeklärte, durch Stahlgewitter robbende Soldat tritt Jörg Magenau in Ernst Jüngers Tagebüchern 1914-1918 entgegen. Bestens geleitet von Nachwort und Anmerkungen des Herausgebers Helmuth Kiesel begegnet Magenau eher einem mordlustigen Tier als einem Menschen von Verstand. Für Magenau sind es die "Stahlgewitter" im Rohzustand, ideologiefrei, kündend allein von der Faszination und den Effekten des Tötens ("Leichengestank"). Die schmucklose Sprache scheint ihm dazu zu passen, ebenso das prahlerische soldatische Idiom mit "kolossal", "famos" usw., etwa wenn's ums Saufen geht. So wenig sympathisch der Autor und sein Text dem Rezensenten beim Lesen auch bleiben, eines hält Magenau dem Buch zugute: Die Erkenntnis des Lesers darüber, was das Töten mit einem Menschen macht, ergibt ein "grandioses" Antikriegsbuch.