Fritz Breithaupt

Das narrative Gehirn

Was unsere Neuronen erzählen
Cover: Das narrative Gehirn
Suhrkamp Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783518587782
Gebunden, 368 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Wer in Geschichten verstrickt ist, lebt intensiver - ich erzähle, also bin ich. Doch nicht nur das eigene Leben wird als Narration prägnanter. Mittels Erzählungen gelingt es uns auch, die Erfahrungen eines einzelnen Menschen zu solchen von vielen anderen zu machen. Dazu müssen unsere Gehirne und die Weisen, wie wir Geschichten erzählen, aufeinander abgestimmt sein. Doch wie genau geschieht das? Fritz Breithaupts brillantes Buch unternimmt eine Neubestimmung des Menschen als narratives Wesen, das sich durch Erzählungen in der Welt verankert. Um dem Denken in Geschichten auf die Spur zu kommen, stützt Breithaupt sich ebenso auf die neuesten Einsichten der Hirnforschung und Experimente mit Nacherzählungen im Stille-Post-Verfahren mit Tausenden von Versuchsteilnehmern wie auf die Analyse von Serien, Romanen, Grimm'schen Märchen und alltäglichem Büroklatsch. Narratives Denken, so zeigt sich, wird stets mit spezifischen Emotionen belohnt, und das heißt: Wir leben, wie wir leben, weil wir diesen Belohnungsmustern folgen. In Narrationen kann darüber hinaus aber auch immer alles anders kommen, und ebendies erlaubt uns den Aufbruch zu neuen Ufern.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.09.2022

Rezensent Burkhard Müller sieht den Germanisten Fritz Breithaupt mit seiner Narratologie auf dem Holzweg, und zwar gleich dreifach. Völlig verfehlt findet Müller Breithaupts Versuch, wissenschaftliche Exaktheit zu behaupten, indem er emotionale Wertigkeiten beim Weitererzählen von Geschichten misst, und dann auch noch ohne deren Inhalt zu beachten. Aber auch die Ausweitung des Begriffs "Narrativ" behagt dem Rezensenten nicht: Bilder sind keine Erzählung, und performative Sprechakte sind es auch nicht: Wenn ein Richter einen Angeklagten zu einer Haftstrafe verurteilt, ist dies eine Tat. Und schließlich kennt der Begriff des Narrativs kein Verhältnis zur Wirklichkeit, moniert Müller: Eine Lügengeschichte ist hier genauso Erzählung wie ein wahrheitsgetreuer Bericht. Für Müller wird hier Germanistik zur Märchenstunde.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.07.2022

Rezensent Albrecht Koschorke findet respektabel, wie Fritz Breithaupt als Forscher auf dem Gebiet der Experimental Humanities in seinem Buch  von Überlegungen zum Stille-Post-Spiel zu einer Theorie der Evolutionsgeschichte des Erzählens und einer Ethik des Erzählens gelangt. Dass Erzählen Emotionen freisetzt, wie der Autor feststellt, ist laut Koschorke tatsächlich bemerkenswert. Allerdings vermisst der Rezensent bei Breithaupt die Beschäftigung mit den dunklen Seiten des Erzählens bzw. den von ihm ausgelösten peinigenden Emotionen. Dass Breithaupt zu wissen vorgibt, was "richtiges", was "falsches" Erzählen sei, findet Koschorke dann doch etwas vermessen. Bedauerlich findet er zudem, dass neurowissenschaftliche Befunden zum Thema im Buch kaum vorkommen. Davon abgesehen beeindruckt ihn die eigene "erzählerische Anlage" des Buches mit Beispielen und persönlichen Anekdoten.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 06.07.2022

Rezensent Volkart Wildermuth empfiehlt als Ergänzung zu Fritz Breithaupts Buch weiterführende Literatur über empirische Ästhetik. Der Autor wird dem Buchtitel laut Wildermuth nämlich nicht ganz gerecht, da er allenfalls eine "stimmige", wenngleich nicht immer detailgenaue Einführung in die Theorie des Erzählens aus literaturwissenschaftlicher Sicht bietet, keine Darstellung der biologischen Hintergründe, so Wildermuth. Wichtige Einsichten wie die, dass Narrative immer auch gesellschaftlich relevante Krisenbewältigung betreiben, nicht nur Krisenbeschreibung, liefert der Autor aber schon, so der Rezensent.