Gerald Murnane

Inland

Cover: Inland
Suhrkamp Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783518225349
Gebunden, 272 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Rainer G. Schmidt. Ein Mann sitzt in seinem australischen Zimmer und ersinnt einen Autor im ungarischen Szolnok, der seinerseits Briefe an seine junge Lektorin in der Prärie South Dakotas schreibt. Dabei ist er sehr darauf bedacht, den Altersunterschied zu bagatellisieren, und er schickt ihr statt eines Autorenfotos ein Bild des Familiengrabs. Irgendwann aber scheint ihre Prärie nicht mehr von der Ödnis vor seinem Fenster unterscheidbar und sie sich auf seinen Briefseiten aufzulösen. Und überhaupt werden sie und die Geschichten aus fernen Ländern bald von schmerzhaften Kindheitserinnerungen an ein Mädchen aus der Nachbarschaft überschrieben.  Ein Roman über Sehnsucht und Schuld, über das, was uns allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand gewesen ist - Tastgesten an den beweglichen Grenzverläufen zwischen ausufernder Innenwelt und eingebildeter Außenwelt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.06.2022

Selbst nach mehrfacher intensiver Lektüre weiß Rezensent Kai Sina nicht recht, wie er an Gerald Murnanes 1988 erschienenes und nun neu übersetztes Mammutwerk, explizit nicht als Roman gelabelt, herantreten soll - so "mäandernd", ausufernd und sich wieder verlaufend gehe es darin zu. Grob fasst er zusammen: in Form von ineinander verschachtelter Erzählperspektiven, die sich quasi gegenseitig ausdenken, geht es um einen Gutsbesitzer in Ungarn, seine Lektorin in South Dakota und um einen Mann in Australien; verbunden werden die Schauplätze dabei durch das ihnen gemeine Grasland, das auch ausführlich beschrieben wird. Ausgehend von dieser groben Struktur entfaltet sich aber ein "kaum zu überblickender" Erzählfluss, seufzt Sina - "Fluss" oder Strom scheint ihm noch die treffendste Beschreibung für Murnanes Erzählweise - was aus heutiger Sicht teilweise etwas "forciert" wirken mag und nach eigenem Bekunden durchaus auch Frustration beim Kritiker hinterlässt. Trotzdem hält er es für unbedingt schätzenswert, wie der Autor an den "ästhetischen und intellektuellen Möglichkeiten der literarischen Moderne" festhalte, gerade angesichts der derzeitigen Dominanz von "populärem Realismus" - daher auch ein großer Verdienst des Suhrkamp-Verlags, schließt er.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 05.04.2022

Rezensentin Angela Gutzeit freut sich, dass das Werk Gerald Murnanes, darunter "Inland", durch seine Nobelpreiskandidatur internationale Bekanntheit erreicht hat. Der australische Schriftsteller und "Meister der Metafiktion" schreibt in diesem bereits 1988 erschienenen Prosakunstwerk von einem Erzähler, der von einem Autor, seiner ihm unbekannten Lektorin und seinem damit zusammenhängenden und immer wieder unterbrochenen Schreibprozess berichtet, erklärt Gutzeit. Einen richtigen Plot kann die Rezensentin nicht erkennen, da die Handlungsorte und Zeitebenen sich bis ins Unübersichtliche überlagern und verschieben, bis sie auch die Erzählidentitäten kaum mehr unterscheiden kann. Dazu kommen noch literarische Referenzen und schalkhafte Spiele mit den Namen von Schriftstellern, doch diese treten der Rezensentin zufolge im Verlauf der Handlung immer weiter zurück. Gefallen findet Gutzeit an der produktiven Verunsicherung, die durch die kunstvolle Zeichensetzung, Zitate, Motive und Bilder ausgelöst wird. Das Buch ist ihr zufolge eine "harte Nuss", deren Knacken zum intellektuellen Vergnügen werde, wenn man sich auf die ausgelegten Fährten des Autoren einlässt. "Inland" ist auch eine deutliche Demonstration literarischer Möglichkeiten, schließt sie.