Gerhard Kelling

Jahreswechsel

Roman
Cover: Jahreswechsel
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783518414613
Gebunden, 172 Seiten, 18,90 EUR

Klappentext

Hanskreuf, zeit seines Lebens von Frauen geliebt, begehrt und beherbergt, wird verlassen; und das ausgerechnet in einer Silvesternacht. Es ist unten am Hafen bei den Landungsbrücken, wo die große Feuerwerksknallerei stattfindet. Ein Blick bringt Klarheit. Was folgt, ist das Jahr des ebenso heroisch-lächerlichen wie zuversichtlich-vergeblichen Aufbegehrens. Hanskreuf sieht sich neu in der Welt um und leckt seine Wunden. Indem er die Tragweite des Geschehens immer klarer wahrnimmt, fällt er in eine Art Erklärungsrausch; er redet und redet: sei es in seiner Stammkneipe "Dorf", sei es gegenüber neuen weiblichen Bekanntschaften, an deren Schultern er überraschend schnell Trost findet, oder sei es auf den griechischen Inseln, auf die er sich flüchtet und wo er den Zufallsbekanntschaften seine Gedankengebäude entwickelt, ohne sich darum zu scheren, ob sie ihm überhaupt zuhören wollen. Und es hilft ihm gar nichts, daß niemand über das Komische der eigenen Lage besser Bescheid weiß als er selbst. Hanskreuf muß sich noch einmal bis auf den Grund gehen, bis dorthin, wo Schmerz und Komik, Euphorie und Resignation verbraucht sind, wo Anfang und Ende in eins fallen, bis er - es ist wieder Silvester - endlich loslassen kann.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.06.2004

Maria Frise konnte Hanskreuf, dem unglücklichen Ich-Erzähler von Kellings zweitem Roman, das Mitleid nicht versagen, und das liegt in erster Linie - verlassene Männer sind schließlich keine Seltenheit - an der literarischen Qualität der traurigen Klage. Die Frau, mit der er sein Leben zu verbringen gedachte, hat sich einem anderen zugewandt, und so treibt unser Held wie Strandgut durch Hamburgs Straßen und wird allabendlich an seinen Tresen aufgefangen. Von dort geht es dann des öfteren in fremde Betten, die Trost zwar versprechen, aber natürlich nicht geben. Schließlich unternimmt Hanskreuf eine "Trennungsreise" nach Griechenland (seine Ziele sind, natürlich, Inseln), und was er von dort an Atmosphäre, Eindrücken und "bühnenreifen Szenen" berichtet, hat die Rezensentin an Bruce Chatwin erinnert und daran, dass Kelling eigentlich Dramatiker und Regisseur ist. Kurzum: Ein sehr gelungener Roman, der durch seine "kunstvoll rhythmische Sprache" besticht und den immerhin preisgekrönten Vorgänger "Beckersons Buch" nach Ansicht Frises noch übertrifft.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.05.2004

Martin Lüdke erteilt den Lesern vorab einen Rat: sie mögen doch zunächst den Vorgänger-Roman "Beckersons Buch" lesen, da der neue Roman quasi dessen Vorgeschichte erzähle und sich nacheinander gelesen besser erschließen lasse. Die Helden der beiden Romane tragen nicht den gleichen Namen, dennoch geht es um die gleiche Geschichte, berichtet Lüdke: sie sind von ihren Frauen verlassen worden. Die gleiche Ausgangssituation nimmt nun in "Jahreswechsel" einen völlig anderen Verlauf als in "Beckersons Buch", so Lüdke, diesmal schleiche sich der Wahn auf leisen Sohlen ein. Für Lüdke entwirft Kelling Männertypen, erzählt Beziehungsgeschichten, die den Preis der Liberalisierung unseres Sexualverhaltens zum Thema haben. Der Single als Sozialfall. Das ist "weit weniger komisch als 'Sex and the City'", warnt Lüdke, Kellings Männer seien hinter ihrer Geschwätzigkeit eher armselige Gestalten, die der Autor mit Handkescher Empfindsamkeit und Bernhardschem Stilvermögen porträtiere.
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