Hans-Ulrich Treichel

Der Papst, den ich gekannt habe

Erzählungen
Cover: Der Papst, den ich gekannt habe
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007
ISBN 9783518419328
Broschiert, 119 Seiten, 14,80 EUR

Klappentext

"Ich könnte auch sagen, daß ich so gut englisch spreche, wie ich Klavier spiele. Denn ich spiele sehr gut Klavier. Beneidenswert gut. Englisch ist immer meine erste Fremdsprache gewesen und Italienisch nur meine dritte. Sie können sich also ausrechnen, wie gut ich Klavier spiele, wenn das Italienisch, das ich besser als so mancher Italiener spreche, nur meine dritte Fremdsprache ist."
Den Papst, Johannes Paul II., hat er persönlich gekannt; er könnte glatt ein Buch darüber schreiben ("Mein Papst"). Er ist weltmännisch, weit herumgekommen, er spielt hervorragend Klavier und hat die wichtigsten Werke der Weltliteratur gelesen - im Original, versteht sich. Er hat Erfolg bei den Frauen; ist liiert mit einer amerikanischen Kunsthändlerin, mit der zusammen er eine Galerie in Rom besaß, und fast hätten sie eine weitere in New York eröffnet. Kurzum: die ganze Welt scheint ihm zu Füßen zu liegen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.12.2007

Samuel Moser preist hymnisch diese kurze Erzählung von Hans-Ulrich Treichel, die ihm in ihrem schillernden und flüchtigen Gewand wie eine übersinnliche Vision vorkommt. Ein Ich-Erzähler, bemerkenswerter "Egozentriker" und "Hochstapler", berichtet, in rastloser Eile und sich in Nebensächlichkeiten und Relativierungen verzettelnd, aus seinem Leben, das sich als "Meer der Möglichkeiten" präsentiert und worin der Rezensent keinesfalls Schwindeleien erkennen will. Am Ende erfährt der Leser dann, dass dieser unter anderem als Tischler, Galerist, Dozent und Insektenforscher in allen möglichen Weltgegenden Tätige in einer geschlossenen Anstalt in Westfalen sitzt. Damit verschwimmen für den Leser die ohnehin in dieser Erzählung nicht klar konturierten Grenzen von Realität und Wahn, so Moser, den bei der Lektüre schmerzliches Glück ergreift, das er der "Verführungskraft der Kunst" selbst zuschreibt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.11.2007

Ulrich Rüdenauer ist einfach hingerissen von Hans-Ulrich Treichels Hochstapler-Erzählung und er attestiert dem Autor die, wie er meint, unter deutschsprachigen Schriftstellern seltene Begabung für "Komik und Ironie". In einem etwas über hundert Seiten langen Monolog feiert ein Ich-Erzähler sein vermeintlich erfolgreiches Leben, das sich erst am Schluss als vollkommen gescheitert entpuppt. Und so muss der Leser am Ende feststellen, dass der angebliche Universitätsprofessor, Frauenschwarm, begnadete Pianist und Entwicklungshelfer, um nur ein paar Vorzüge des Helden zu nennen, tatsächlich in einer geschlossenen Anstalt lebt. Indem der Ich-Erzähler sich seine eigene Welt erschafft, zeigt er sich als Verwandter des Schriftstellers, sinniert der begeisterte Rezensent abschließend.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.10.2007

Rezensent Andreas Rossmann hat die wilde Jagd des Erzählers durch alle möglichen Weltgegenden und das Treffen mit allen möglichen Personen - u.a. mit Johannes Paul II. - wenig gebracht. Alles Beschriebene sei doch eigentlich Stoff für mehr gewesen, meint er. Aber statt sich auf einzelne Personen und Begebenheiten einlassen zu dürfen, werde der Leser immer gleich weiter gejagt, findet Rossmann. Die Erzählerei des Protagonisten, eines offenbar eher gescheiterten als gescheiten Mannes, hangele sich von einer Assoziation zur anderen, und komme zudem weniger komisch als eitel daher. Da ist Rossmann am Ende froh, dass Hans-Ulrich Treichel mit dieser Icherzählung als Schriftsteller nicht identifiziert werden kann. Die Rezension, so scheint uns, schrabbt zielsicher (auf Grund stur durchgehaltener Humorlosigkeit?) am Kern der Sache vorbei.
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