Hartmut Binder

Kafkas 'Verwandlung'

Entstehung, Deutung, Wirkung
Cover: Kafkas 'Verwandlung'
Stroemfeld Verlag, Frankfurt am Main - Basel 2004
ISBN 9783878778554
Gebunden, 589 Seiten, 48,00 EUR

Klappentext

Die Fortschritte, die in den letzten Jahrzehnten in der Erforschung der Lebensumstände Kafkas gemacht worden sind, erlauben jetzt, die "ästhetische Differenz" zwischen autobiografischem Hintergrund und Fiktion genauer zu bestimmen. Da der Grundriss der Wohnung, in der die "Verwandlung" geschrieben wurde, aufgefunden werden konnte, lässt sich feststellen, an welchen Punkten Kafka bei der Darstellung des Schauplatzes von dem ihn umgebenden Ambiente abwich.
Binders Studie gliedert sich in 5 Teile: Das erste Kapitel ist der Entstehung der Erzählung gewidmet. Das zweite Kapitel behandelt die Druckgeschichte, die sich aufgrund zweier an Kafka gerichteter Briefe Robert Musils anders und mehrschrittig darstellt. Das dritte Kapitel stellt den Schwerpunkt der Studie dar. Die "Verwandlung" ist die einzige in Kapitel unterteilte Erzählung in der Er-Form, die vollendet und von Kafka selbst veröffentlicht wurde. Sie verkörpert die Erzählweise, die er im "Verschollenen" und im "Process" zu verwirklichen suchte, und erlaubt deswegen wie kein anderer Text, Kafkas Ästhetik und Erzählprinzipien an einem vollendeten und von ihm selbst autorisierten Erzählwerk zu studieren. Das vierte Kapitel gilt dem Gehalt der Dichtung. Das fünfte Kapitel behandelt die vielfältige Rezeptionsgeschichte und die Wirkung der "Verwandlung" auf das Werk anderer Schriftsteller.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.03.2005

Hartmut Binder betreibt mit seiner Studie über Franz Kafkas Erzählung "Die Verwandlung" so etwas wie "Kalenderphilologie" meint Hannelore Schlaffer, die sich zwar mit der Methode nicht recht anfreunden, ihr aber dennoch gute Seiten abgewinnen kann. Das Buch ist eine "Kampfansage an die Sinnsucher", die Kafkas Text für ihre jeweilige Interpretation vereinnahmen wollen, stellt die Rezensentin fest, die aber findet, dass sich Binders "fanatischer Biografismus", der alle Textstellen der "Verwandlung" mit von Kafka in Briefen und Tagebuchnotizen festgehaltenen lebensgeschichtlichen Details begründet, davon letztlich nicht unterscheidet. Insbesondere im ersten Teil seiner Studie würden die Leser mit lebensgeschichtlichen Daten überschüttet, die die Einfälle und Rätsel der Erzählung aus Erlebnissen aus Kafkas Leben zu erklären versuchten, so Schlaffer, die findet, dass diese Informationen wenig zum "Reiz der Lektüre" von Kafkas Geschichte beisteuern. Trotzdem entsteht hier so etwas wie eine "akribische Kafka-Biografie" lobt die Rezensentin, die darin gleichzeitig die "Autobiografie eines Forschers" entdeckt hat, weil das Buch mit seinen Vermutungen und Spekulationen die gesamte "Gedankenarbeit" Binders dokumentiert, wie sie angetan bemerkt, was normalerweise aus wissenschaftlichen Studien ausgespart bleibt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.11.2004

Gerade mal 70 Seiten umfasst Franz Kafkas Erzählung "Die Verwandlung", Hartmut Binders Forschungsarbeit kann mit 590 Seiten aufwarten, Rezensent Ulrich Greiner käme sogar auf umgerechnete tausend Seiten bei normalem Format. Tausend Seiten, auf denen jeder Satz aus der Erzählung hin- und hergedreht wird, jedes Detail begutachtet wird. Öffneten sich die Türen von Gregor Samsas Zimmer nach innen oder nach außen? "Wer will das lesen?", fragt Greiner rein rhetorisch. Denn er selbst weiß Binders "ebenso große wie befremdliche" Leistung durchaus zu würdigen. Wenn er selbst das Buch auch nicht von vorne bis hinten durchgelesen hat, wie er bekennt, so hat er doch sehr angeregt in ihm geblättert.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.09.2004

Auf 600 Seiten untersucht Hartmut Binder in philologischer Kleinarbeit die Entstehung, Druckgeschichte, Sprachgestalt, Erzählweise und Wirkung von Franz Kafkas Erzählung "Die Verwandlung". Da Binder auch den Herausgebern der Faksimile-Ausgabe im Stroemfeld-Verlag (Roland Reuss und Peter Staengle) bei ihrer Arbeit zur Seite gestanden hat, so Rezensent Andreas Kilcher, kann man Binders "monumentales" Buch durchaus als "Kommentarband" verstehen. Der Autor will es, anders als seine Vorgänger, vermeiden, "Die Verwandlung" lediglich zum Anlass zu nehmen, in literaturtheoretischen Präferenzen zu schwelgen, und beschränkt sich darum auf eine Deutung "unter Berücksichtigung der Lebensumstände und Überzeugungen Kafkas", so Kilcher. Wegen seines "stupenden historisch-biografisch-bibliografischen Detailwissens" hält der Rezensent das Werk zwar für ein "enzyklopädisches Handbuch" - allerdings ist es wohl eher was für Kafka-Philologen denn für interessierte Laien.