Jack Miles

Jesus

Der Selbstmord des Gottessohns
Cover: Jesus
Carl Hanser Verlag, München 2001
ISBN 9783446199972
Gebunden, 392 Seiten, 25,46 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Friedrich Griese. Das Leben Jesu, wie es durch das Neue Testament überliefert wird - jetzt zu lesen wie ein Stück Weltliteratur. Jack Miles entdeckt in der Figur Jesu einen Charakterzug des alttestamentarischen Gottes, der nur in der Person seines Sohnes wirklich sichtbar werden konnte: seine Schwäche, die im Tod am Kreuz bis in die grausamste Form gesteigert wird. Literatur oder Offenbarung? Beides ist denkbar, gleich wie man zum christlichen Glauben steht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.11.2001

Heinz Zahrnt fragt sich, ob man "über Gott eine Biografie schreiben" kann. Was ihm abenteuerlich erscheint, hält der Autor für möglich. Der vorliegende Band, dessen Titel dem Rezensenten zu effektheischend ist, setzt die bereits veröffentlichte "Biografie Gottes" fort. Dabei dient dem Autor als Leitfaden "die Deutung des Todes Jesu im Johannesevangelium", schreibt der Rezensent. Nicht um theologische Studien, sondern um die Lektüre an sich geht es Miles, so der Rezensent; der Autor empfehle, die Bibel als "Kunstwerk der schönen Literatur" zu lesen. Der theologische Kern dieses Buches sei indes ein "Entwurf der Theodizee". Zahrnt ist enttäuscht: "Eher langweilig als erbaulich" findet er dieses Buch.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.10.2001

Was zunächst abwegig erschien, nämlich Gott eine Biografie zu verpassen, hat sich bewährt und gut verkauft - warum also nicht an diesen Erfolg anknüpfen? Für Niklaus Peter sprechen verschiedene Gründe dagegen. Sein Hauptargument lautet, dass Miles den biblischen, das heißt historischen Stoff einem ihm völlig fremden Schema unterwirft, nämlich dem des literarischen Entwicklungsromans. Das liest sich durchaus komisch, gesteht er zu, wenn Gott als zunächst kraftstrotzender Held und später resignativ schweigender Mann charakterisiert wird. Die "Jesus"-Biografie knüpft in gewisser Weise direkt an das vorhergegangene Buch an: der Tod Jesu' sei in Miles' Lesart ein Akt der Selbstopferung Gottes. Spannend findet der Rezensent das Buch an den Stellen, wo Miles' Kenntnisse als Orientalist zur Geltung kommen, wo dieser intertextuelle Bezüge zwischen dem Alten Testament und den Evangelien aufhellt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.10.2001

Provokante Titel und Themen, Paradox und Ironie als Stilmittel sind dem amerikanischen Exjesuiten und Pulitzerpreisträger (1996) Jack Miles eigen, einem "Weltkind" von "raffinierter, "jesuitischer" Intelligenz", erklärt Ludger Lütkehaus, der in seiner Besprechung auf Miles' 1996 erschienenes Buch "Gott. Eine Biografie" zurückgreift. Darin habe er Gott als multiple Persönlichkeit dargestellt. Das vorliegende Buch sei der Biografie zweiter Teil, die Biografie seines Sohnes. Hier ändere Gott seinen Charakter. Zunächst kriegerisch und rachelustig werde er zu einem "sich selbst entwaffnenden Gott". Warum? Gott sei nach dem Rauben, Zerstören und Morden durch die Römer, nach der ersten Schoah also, in eine tiefe Krise geraten - zumal er sich vorhalten lassen musste, seine Versprechungen, die er im Alten Bund seinem Volk gemacht hatte, nicht gehalten zu haben. Im Neuen Testament büße Jesus nach Miles mit seinem Freitod somit nicht die Sünden der Menschen, sondern die Sünde seines vertragsbrüchigen Vaters. "Menschliche Todesüberwindung durch göttlichen Suizid: So lautet Miles' runderneuerte Frohe Botschaft", schreibt Lüdkehaus, der in seiner Kritik im wesentlichen den Inhalt des Buchs - wenn auch mit Sympathie - referiert hat.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.09.2001

Für Ulrike Brunotte scheitert diese Biografie Jesu am allzu großen Harmoniebedürfnis ihres amerikanischen Autors. Indem Miles aus dem vier Evangelien die Lebensgeschichte Jesu unter Ausschluss der Apokalypse und der Briefe des Neuen Testaments herausdestilliere, ebne er sämtliche Spannungen und Konflikte der sich zum Teil widersprechenden Texte einfach ein. So, kritisiert die Rezensentin, kommt die "spannungslose Atmosphäre" des Buches zustande. Und letztlich nimmt der Autor mit dem "ästhetischen Nebeneinander voller Korrespondenzen und Verweisen", das er in den Evangelien ausmacht, seinem Buch jeden "radikalen Kern" und produziert am Ende doch nur wieder "Dogmatik in postmodernem Gewand", so die enttäuschte Brunotte.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.08.2001

Nach Klaus Berger scheint dieses "ungewöhnlich schwache, ärgerliche Buch" nur einen Zweck zu haben: Es soll provozieren, in Talkshows und ähnlichem debattiert werden und durch die negative Presse zu einem Kassenschlager werden. Berger erklärt dem Leser, dass Gott und Jesus hier gleichgesetzt werden und Gott Selbstmord verübt, weil er sich für seine Verbrechen bestrafen will - das Ganze hergeleitet am Johannesevangelium. Der Rezensent vermisst dabei jegliche Begründungen oder auch Logik, und auf das, was Jesus eigentlich getan hat, wird - wie er feststellt - gar nicht erst eingegangen. Auch der Sinn der Auferstehung bleibe "nebulös". Darüber hinaus beklagt Berger zahlreiche Übersetzungsfehler, von denen er auch einige auflistet. Zwar ist sich der Rezensent sicher, dass Miles durchaus über theologische Kenntnisse verfügt. Doch die Konsequenzen, die der Autor zieht, findet Berger einfach nur "irrsinnig". Selbst ein nur wenig vorgebildeter Leser könne dies problemlos feststellen. Und so ist ihm dieses Buch "noch nicht einmal einen Stoßseufzer wert".
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