Jean-Claude Kaufmann

Kochende Leidenschaft

Soziologie vom Kochen und Essen
Cover: Kochende Leidenschaft
UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2006
ISBN 9783896695581
Kartoniert, 372 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Anke Beck. Liebe geht durch den Magen. Essen macht nicht nur satt, sondern verbindet. In den Urgesellschaften war man miteinander verwandt, wenn man die tägliche Nahrung miteinander teilte und aus einer gemeinsamen Suppenschüssel aß. Noch heute spielt sich das Familienleben vorwiegend zwischen Herd, Kühlschrank und Tisch ab. Liebe und Küche, Leidenschaft und Kochen - wer würde diese Begriffe spontan zusammenbringen? Jean-Claude Kaufmann tut es. Kaufmanns Untersuchung gründet sich auf Empirie. Er beobachtet Verhalten, Gespräche und Rituale bei Tisch und begleitet Esser in verschiedenen Lebensphasen und -situationen. Er wirft einen Blick hinter die Kulissen, nicht nur in Kühlschränke und Kochtöpfe, sondern vor allem in den Kopf des Kochs, der noch immermeist eine Köchin ist - und befragt ihn nach seinen Gewohnheiten. Wann wird gekocht? Wie unterscheidet sich das Kochen in der Woche von dem am Wochenende? Wer ist der Chef in der Küche? Und en passant liefert er auch gleich eine Kulturgeschichte des Kochens mit - "von den Holzöfen zu den Induktionskochfeldern".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.12.2006

Jean-Claude Kaufmanns soziologische Betrachtungen des Kochens und Essens scheinen Gerhard Neumann überaus instruktiv. Die Lektüre hat ihn eine Menge über die Ordnungsgeschichte von Nahrungsmitteln gelehrt, die wechselnden Funktionen von Mahlzeiten in der Kultur und vor allem über die Rolle des Kochens und Essens für die Konstruktion familiärer Strukturen und die Ausbildung des modernen Subjekts. Die alltägliche Praxis des Koches wird für Neumann verständlich als Form kultureller Sinnerzeugung, die in eine höchst komplexe Welt von Entscheidung führt: Auswahl von Lebensmitteln, Sonderangebote, Zeitmanagement. Allerdings vermisst Neumann eine Erläuterung der Kriterien für die Auswahl der Testpersonen, mit denen Kaufmann Gespräche führte, sowie die Angaben literarischer Quellen. Zudem moniert er die zahlreichen Fehler in der Übersetzung, die vom mangelnden Lektorat zeugen. Dafür sieht er sich entschädigt durch eine Vielzahl "amüsanter Geschichten" über die Widersprüchlichkeiten unseres Koch- und Essverhaltens.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.10.2006

Rezensent Harry Nutt freut sich, dass es sich bei dieser "veritablen" Soziologie vom Kochen und Essen nicht um eine "vergeistigte Suppe", sondern um einen "kräftigen, gut abgeschmeckten Eintopf" handelt. Es gehe in Jean-Claude Kaufmanns, an Levi-Strauss und Norbert Elias geschulter Studie um das "gesellschaftliche Ganze", eine anthropologische Annäherung an die Geschichte des Umgangs mit Nahrung schlechthin - und zwar von ihrem Aufstieg aus der religiös-rituellen Praxis zur familien- und gesellschaftsbildenden Instanz bis zu ihrem gegenwärtigen Niedergang. Und zwar auch anhand von Alltagsbeobachtungen und zahlreich zum Thema geführten Interviews. Doch Kaufmann schreibe gut lesbar, salopp und ironisch, was seine Ausführungen für Nutt nicht nur zu einem intellektuellen, sondern auch zu einem sinnlichen Vergnügen macht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.08.2006

Sieht aus, als hätte Franziska Bossy den Autor gern in ihrer Küche. Einfühl-, unterhaltsam und informativ findet sie die Lektüre von Jean-Claude Kaufmanns Sozialgeschichte von Herd und Tisch. Wenn Kaufmann der degenerierten Esskultur "urteilsstark" und ohne große methodologische Verrenkungen die Leviten liest, bekommt sie Appetit. Das bei der Feldforschung anfallende Material findet sie nur selten unerheblich und lernt dadurch viel über die Bedeutung der Familienmahlzeit oder das Essen vor der Mattscheibe. Als Aperitif empfiehlt Bossy die im Band enthaltene Geschichte der Nahrungsmittel und der Mahlzeiten. Warum Melone gern mit Schinken verzehrt wird, hat sie hier erfahren und viel über die Tradition der Gaumenfreuden. Nach der Lektüre nimmt Bossy dem Autor ab, dass Kochen maßgeblich am Ursprung der Zivilisation beteiligt ist, sei es, weil es das Miteinander so angenehm sachlich macht.
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