Jenny Offill

Annas kosmischer Kalender

Cover: Annas kosmischer Kalender
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2000
ISBN 9783100540058
gebunden, 208 Seiten, 18,41 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Heidi Zerning. Grace Davitt ist acht und wohnt mit ihren Eltern auf dem Land im nördlichen Vermont. Ihre Welt ist das Haus, die Wälder um den See herum, die unheimliche Hundehütte hinten im Garten und ihr Lieblingsbuch, die Enzyklopädie des Unerklärlichen, die alle Monster der Welt in alphabetischer Reihenfolge aufführt. Anna, die Mutter, ist das eigentliche Zentrum von Grace? Welt - phantasievoll, originell, exzentrisch, begabt mit einer starken Intuition und der Natur verhaftet wie eine etwas unheimliche Fee im Märchen. Dass diese verwirrende Mischung aus Wissen und Imagination sich bei Anna zu verselbständigen beginnt und Anna offenbar in Gefahr ist, den Halt in der Wirklichkeit zu verlieren, merkt das kleine Mädchen nicht; im Gegenteil, es bewundert die Mutter noch für ihre verrücktesten Unternehmungen - das nächtliche Schwimmen im See, bei dem Grace fast ertrinkt, ihre Geheimsprache, die alles codiert liest, ihre spontane, improvisierte Fahrt mit Grace wochenlang kreuz und quer durch die USA und sonstige Verweigerungen der Normalität.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.06.2000

In einer Doppelrezension bespricht Eleonore Frey zwei Romane aus kindlicher Sicht.
Als das klassische Beispiel einer Literatur, die den Blick eines Kindes mit der Stimme eines Erwachsenen kombiniert, gilt Eleonore Frey Henry James` Erzählung "What Maisie knew". Ganz so radikal bzw. entlarvend in ihrer Sicht auf die Welt der Erwachsenen seien die beiden besprochenen Bücher von Nicholson Baker und Jenny Offill nicht, aber beide Autoren bedienten sich der kindlichen Perspektive auf gelungene Weise. Im Mittelpunkt steht bei beiden das Familienleben, das bei Baker eher positiv wegkommt, während bei Offill die zunächst märchenhaft surrealistisch anmutende Geschichte das Abdriften der Mutter in den Wahnsinn beschreibt.
1.) Nicholson Baker: "Norys Storys" (Rowohlt-Verlag)
Etwas sybillinisch mutet die Anmerkung der Rezensentin über die Übersetzung von Eike Schönfeldt an: "Wenn eine Übersetzung diesen hohen Grad an Einfachheit erreichen wollte,..." - ja, hat sie nun oder hat sie nicht? Nehmen wir an, Eleonore Frey ist nicht ganz zufrieden gewesen mit dem eigentlich "Unmöglichen", so zeigt sie sich um so beeindruckter von den "einfachen" Erzählungen Bakers, der die Übersiedlung der Familie von Kalifornien nach England aus Sicht seiner Tochter beschreibt. Wie das Kind Dinge oder Situationen wahrnimmt und einordnet, nämlich absolut gleichwertig, das Wichtige nicht vom Unwichtigen scheidend, erhebt Baker zum poetischen Prinzip, schreibt Frey. Baker bediene sich dabei der Perspektive wie auch der Sprache der Tochter, ohne sie sich völlig zu eigen zu machen.
2.) Jenny Offill: "Annas kosmischer Kalender" (Fischer-Verlag)
Jenny Offills Debütroman steht in der Tradition der surrealistisch angehauchten Märchen und Fabeln, konstatiert Eleonore Frey. Sie bilden den Hintergrund der Erzählung bzw. den Fundus, aus dem die Mutter der Erzählerin schöpft und damit dem Mädchen auf ganz subtile Weise Angst einjagt. Eine Art schwarze Magie, der das Mädchen verfällt, während die Mutter in den Wahn abdriftet und schließlich im Fluss ertrinkt. Frey lobt den "scharfen Blick" der Autorin, mit dem es ihr gelingt, zugleich die Stimme des Kindes und einer Erwachsenen zum Sprechen zu bringen.
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