Jochen Distelmeyer

Otis

Roman
Cover: Otis
Rowohlt Verlag, Reinbek 2015
ISBN 9783498012038
Gebunden, 288 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Das Berlin der Gegenwart, genauer: wenige Tage im Februar 2012 bilden den Hintergrund des Geschehens. Der Bundespräsident ist zurückgetreten. Eine Gruppe barbusiger Feministinnen sorgt in Davos für Aufsehen. George Clooney gesteht Schlafprobleme und so auch: Tristan Funke. Er ist ein Schwärmer, ein Mann, dem die Gegenwart längst als etwas Vergangenes erscheint. Erst vor kurzem ist er in die Hauptstadt gezogen, um eine alte Liebe zu vergessen, um ein Buch zu schreiben über die Erlebnisse seiner privaten Odyssee. Begegnungen mit Nymphen, Zauberinnen und Götterboten. Leuten mit Flügeln. Vor allem aber ringt er mit dem Abschied von Musikerfreund Ole, der mit seiner Familie in den USA einen Neuanfang wagen will. Bei einer letzten großen Party in der Gypsy Bar treffen Vergangenheit und Zukunft, Tristan und seine Geliebten auf einander. Und das mit Folgen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.01.2015

Blumfeldsänger Jochen Distelmeyer hat einen Roman geschrieben und Rezensent Jan Wiele kann dem unter dem Titel "Otis" erschienenen Werk rein gar nichts abgewinnen. Die an Thomas Manns Novelle "Tristan" angelehnte, im Berlin der Gegenwart spielende Handlung bleibe flach wie eine Scheibe, auch Distelmeyers Versuch die Mann'sche Sprache und Namensgebung zu imitieren, kann den Kritiker nicht überzeugen. Und so liest er sich durch das überbordende Ensemble von blass bleibenden Pappfiguren, folgt zunehmend ermüdet dem in den Roman eingeflochtenen Versuch einer Metafiktion des Odysseus-Mythos, hält die kulturkritischen Einwürfe für "nachgedichtete" Feuilletonkritiken und kann in den literarischen Anspielungen des Romandebütanten, etwa auf Gerhart Hauptmanns "Bahnwärter Thiel" leider nicht mehr als "Fingerübungen" erkennen. Am meisten aber enttäuscht den Rezensenten, dass Distelmeyers literarischer Erstling in seinen Augen auch sprachlich so daneben geht.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 31.01.2015

Elise Graton hat Jochen Distelmeyers Debütroman gelesen und überlegt, ob das eigentlich geht, nach Homer und Joyce eine Adaption der "Odyssee" zu schreiben. Geht durchaus, meint sie, allerdings muss der Leser sich bis Seite 100 reichlich quälen, fügt sie hinzu. Der durch Berlin flanierenden Hauptfigur folgend, fragt sich Graton schon, ob Distelmeyer nicht das Genre verfehlt, wenn er essayistisch über Bankenkrise, den 11. September und die Piratenpartei doziert und seine Figur eher im Unscharfen belässt. Dann aber nimmt der Text doch noch Fahrt auf, versichert die Rezensentin, und der Autor überzeugt mit experimentierfreudiger Anprobe von Erzählweisen, Dialogen, Szenen, Exkursen, Zitaten.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 31.01.2015

Harald Peters ist genügsam, was Romane betrifft. Ein bisschen Lachen beim Lesen reicht ihm schon, um den Daumen zu recken. Dass Jochen Distelmeyers Debüt ohne stimmige Komposition auskommen muss, weder spannend noch einleuchtend ist, dafür aber dauernd neues Personal einführt (und es ebenso unvermittelt auch wieder fallen lässt) und seinen Helden wie einen vom Mond Gefallenen durch Berlin wandern lässt, betrachtet er mit Nachsicht. Solange die Figuren nur Namen wie von Loriot tragen und Peters vom Autor was über die Odyssee lernen kann, scheint er zufrieden.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.01.2015

Dass Jochen Distelmeyer nicht ohne Selbstzweifel an sein Romandebüt herangegangen ist, merkt Johan Schloemann daran, dass der Autor in einer Metafiktion mit dem Scheitern kokettiert. Hätte er die Zweifel doch ernster genommen, seufzt der Rezensent, der neben dem ein oder anderen Blumfeld-Motiv an "Otis" nichts finden kann. Sprachlich unausgewogen, "überwiegend sehr steif und sehr selten lustig", überzeugt der Roman Schloemann auch nicht mit seiner Handlung um einen Romanautor und dessen an Homers Odyssee angelehntes Buch. Für die reichlich eingestreuten Beobachtungen zu Figuren und Millieus bescheinigt der Rezensent Distelmeyer immerhin ein "gewisses humanistisches Interesse für den Menschen", kann aber darüber hinaus keinen weiteren Zweck in ihnen entdecken. Und so wünscht er dem Autor eine baldige Rückkehr zur Musik.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 29.01.2015

Diedrich Diederichsen ist sich nicht ganz sicher, ob er Jochen Distelmeyers Debütroman "Otis" nicht analytisch von etwaigen Absichten des Autors entfernt. Absichten hin oder her, jedenfalls erkennt der Rezensent eine Variation der "Mise en abyme", des Abgrunds, der unter dem nur scheinbar trittfesten Boden des alltäglichen Sinnschauspiels klafft. Während eine Ebene des Romans so klingt, "als wollte uns Wikipedia eine Liebesgeschichte erzählen", die lediglich eine "Sozialsimulation von Netz und Nachtleben" wiederkäut, soll der Protagonist (und angehende Schriftsteller) Tristan Funke durch den Dreck des wahren, alten, fiesen Berlins aus dem Schlummer des kulturbeflissenen Dauerschlafs geweckt werden, fasst Diederichsen zusammen. Leider ist ein Abgrund aber kein bloß doppelter Boden, sondern das bodenlose, erklärt der Rezensent, der das Buch seiner mangelnden Hingabe an den Absturz wegen nur "mittelinteressant und halbamüsant" findet.