John Griesemer

Rausch

Roman
Cover: Rausch
Mare Verlag, Hamburg 2003
ISBN 9783936384864
Gebunden, 686 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Ingo Herzke. Das erste Transatlantikkabel soll gelegt werden, doch es reißt wieder und wieder. Das größte Schiff aller Zeiten soll zu Wasser gebracht werden, doch es weigert sich, vom Stapel zu laufen. Wir schreiben das Jahr 1857, und die Welt windet sich in den Geburtswehen der Moderne. Die Welt, das ist zunächst der amerikanische Ingenieur Chester Ludlow, der sich mit Haut und Haaren der Idee verschrieben hat, das erste Telegraphenkabel durch den Atlantik zu verlegen; Chester ist unglücklich verheiratet mit der ehemaligen Schauspielerin Franny, die der gemeinsamen Tochter Betty nachtrauert, die einem epileptischen Anfall zum Opfer gefallen ist. Ludlow begibt sich mit einer illustren Theatertruppe und einem verspielt-naiven Stück, das die Verlegung des Atlantikkabels zum Thema hat, auf Reisen, um Geld für das Projekt zu sammeln...

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.07.2004

Die schmökernde Damenwelt des 19. Jahrhunderts hätte ihre Freude gehabt, vermutet Georg Sütterlin: "bedeutende Ereignisse, Wagemut, Schurken, katastrophale Fehlschläge, melodramatische Verstrickungen" - mit praller, ausgreifender Epik hat John Griesemer den viktorianischen Roman wiederbelebt. Aber leider, so der enttäuschte Rezensent, nur als Abklatsch, und der sei "literarisch etwa so interessant, wie wenn ein Architekt die Kopie eines barocken Palasts bauen wollte". Wer "bunte Tableaus" mag und sich ganz nebenbei über die Verlegung des ersten transatlantischen Telegrafenkabels Mitte des 19. Jahrhunderts informieren möchte - bitte sehr, meint Sütterlin, die Fakten stimmen. Ansonsten könne der Autor ein fulminantes erstes Kapitel auf der Habenseite verbuchen, das dann aber in eine abflachende Handlung mit Figuren aus der "Typengalerie", "konventionellen Dialogen" und "erzwungenen Koinzidenzen" münde. Historische Abenteuer zwischen Amerika und Europa, aber leider keine zwischen den Buchdeckeln.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.12.2003

Das Ende der Geschichte, die John Griesemer erzählt, ist bekannt, erklärt die Rezensentin Anna Kraume, schließlich handelt es sich um die Verlegung des ersten transatlantischen Telegrafenkabels. Entscheidend jedoch sei, wie man die Geschichte erzähle, und welches "Potenzial zur Mythenbildung" sie besitzen. Genau wie die von ihm beschriebene Promotions- und Geldsammeltour im Vorfeld der Kabelverlegung, entfalte sich auch Griesemers Geschichte, nämlich in einer gewaltigen, dem "Fantasmagorium" erlegenem "Bühnenmaschinerie" mit großen "beweglichen Bildern", die die Kabellegung zum "Aufbruch ins Informationszeitalter" mythisieren. Dem Autor gelinge die Verdichtung zum "Epos" nicht zuletzt durch seine teils historischen, teils fiktiven Charaktere, die er für bestimmte Ideen stehen lasse. Trotzdem hat die Rezensentin den Roman "mit gemischten Gefühlen" gelesen, denn der Autor nehme sich dann doch zu viel vor, wenn er zugleich ein "Sittengemälde einer Zeit", eine "Liebesgeschichte und Familienepos, prophetische Vorausschau und dramatische Zuspitzung" zuwege bringen wolle.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.09.2003

Also irgendwie großartig ist dieser Roman schon, obwohl Burkhard Spinnen in seiner Kritik von Einerseits zu Andererseits springt, dass einem schwindlig werden kann. Die Grundidee - die Geschichte der Verlegung de ersten transatlantischen Kabels - ist ein wunderbarer historischer Stoff, an dem sich, so Spinnen, der Beginn unseres jetzigen vernetzten Kommunikationszeitalters studieren lässt. Ziemlich virtuos findet es Spinnen auch, wie der Autor John Griesemer sein e fiktiven Figuren ins historische Material einflicht. Aber dann wird der Rezensent auch wieder streng: Diese fiktiven Figuren sieht er einerseits, zumindest stellenweise, zu bloßen Stellvertretern historischer Tendenzen herabgewürdigt, und andererseits beklagt er, dass in typisch amerikanischer Weise die ganz große Geschichte zum Abziehbild eines banalen Familienkonflikts herhalten muss. Am Ende klingt Spinnens engagiert zwiespältige Kritik etwas gutachterlich: "John Griesemer hat über weite Strecken einen spannenden historischen Roman mit hoch interessantem philosophischen Hintergrund geschrieben..." Immerhin: spannend.