Joze Pirjevec

Tito

Die Biografie
Cover: Tito
Antje Kunstmann Verlag, München 2016
ISBN 9783956140976
Gebunden, 720 Seiten, 39,95 EUR

Klappentext

Aus dem Slowenischen von Detlef Olof. Partisan und Revolutionär, Staatspräsident Jugoslawiens, Diktator und Architekt eines alternativen sozialistischen Modells - bis heute entzieht sich Tito (1892-1980) jeder politisch und historisch eindimensionalen Zuordnung. Jože Pirjevec, Professor für Geschichte und ausgewiesener Tito-Experte, geht in dieser Biografie dem Phänomen Tito nach. Pirjevec folgt der Politisierung Josip Broz', wie Tito mit bürgerlichem Namen hieß, und seinem raschen Aufstieg in der Kommunistischen Partei Jugoslawiens und zeigt, wie er aus einer zerstrittenen Partei eine schlagkräftige Partisanenarmee geformt hat, die Hitlers und Mussolinis Truppen besiegt hat. Er legt dar, mit welcher Weitsichtigkeit Tito schon bald nach dem Krieg in Opposition zu Stalin ging, wie er für Jugoslawien einen anderen sozialistischen Weg suchte und wie entscheidend er an der Gründung der Bewegung der Blockfreien Staaten beteiligt war.
Aber er zeigt Tito auch als Diktator, der seine politischen Gegner gnadenlos verfolgte, sich als Held eines nationalen Mythos verehren ließ und den Personenkult genoss. Er sorgte nicht für einen Nachfolger, und als Tito 1980 starb, hinterließ er ein Machtvakuum, das innerhalb weniger Jahre zum gewaltsamen Zerfall des Vielvölkerstaates führte. Diese umfassende Tito-Biografie, die zahlreiche Quellen erstmals zugänglich macht, liefert das lebendige Porträt der faszinierenden und oft widersprüchlichen Persönlichkeit eines der bedeutendsten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.09.2016

Marie-Janine Calic kann Jože Pirjevecs Tito-Biografie jedem empfehlen, der sich an der Sympathie des Autors mit seinem Gegenstand nicht stört. Die erste deutschsprachige Lebensgeschichte des "Berufsrevolutionärs" und Diktators kommt laut Calic spannend, faktenreich und dicht erzählt daher. Am Ende ahnt die Rezensentin, dass die Meinung des Autors, Titos Ruhm gründe nicht auf Tyrannei, sondern auf natürlicher Autorität noch immer weit verbreitet ist. Was wäre gewesen, wenn die Deutschen Tito damals getötet hätten? Pirjevec Standpunkt scheint Calic klar: Ohne Titos Mut hätte es den Partisanenkampf in Jugoslawien und einen Bruch mit Stalin nie gegeben.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.07.2016

Was der Autor Jože Pirjevec in 30 Jahren aus Archiven auf der ganzen Welt und aus privaten Notizen Titos ans Licht gebracht und in seiner im slowenischen Original 2011 erschienenen Biografie veröffentlicht hat, scheint Rezensentin Sonja Vogel einen sehr persönlichen Ansatz zu offenbaren. Über Titos Weggefährten, namentlich Freunde aus Partisanenzeiten, nähere sich der Historiker dem Diktator. So wird Tito als Machtmensch deutlich, meint sie, aber auch der Kampf um die Selbstständigkeit Jugoslawiens sowie Titos "vulgärer Luxus". Den den Band beschließenden "geschwätzigen" Diskurs über Tito und die Frauen hätte der Autor sich auch sparen können, findet die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 30.06.2016

Rezensent Norbert Mappes-Niediek fragt sich, worin sich die enormen Verkaufszahlen von Joze Pirjevecs Biografie des ehemaligen jugoslawischen Staatschefs Josip Broz Tito und seiner "Genossen" begründen. Immerhin handelte es sich um ein 700 Seiten starkes Buch, in dem der Biograf laut Rezensent dem Boulevard "wenig Zucker" gibt, sich zu keinerlei politischem Urteil hinreißen lässt, Gerüchten eher entgegenwirkt statt sie zu befeuern und aufregenden Thesen aus dem Weg geht. Es muss wohl an Tito selbst liegen, vermutet Mappes-Niediek, denn der Autor mache in seinem Buch alles ganz richtig, eben so "wie es sich für einen ordentlichen Wissenschaftler gehört". Nur warum Tito einmal die Menschen so begeistert hat, das versteht der Rezensent nach der Lektüre nicht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.06.2016

Seit Jahrzehnten befasst sich der slowenische Historiker Joze Pirjevec mit Tito, er hat in Archiven von London bis Moskau geforscht und kann auf viele persönliche Begegnungen mit dem Umkreis des einstigen jugoslawischen Staatschefs zurückgreifen. Das merkt Jan Heidtmann der fast sechshundert Seiten starken Biografie auch an, die in ihrer Detailfülle den Leser nahezu mit Informationen überflute, wie der Rezensent nicht unbedingt positiv vermerkt. Überhaupt kann er sich den immensen Erfolg des Buches in den ehemaligen Ländern Jugoslawiens nicht ganz erklären. Denn eigentlich sei Tito auserzählt: Seine schillernde Persönlichkeit, sein Partisanenkampf, sein Streit mit Moskau, seine Prunksucht und seine Frauengeschichten wurden bereits in ebenso vielen Hagiografien wie kritischen Biografien verarbeitet. Den interessanten offenen Fragen zur Repression unter Tito füge Pirjevec jedoch keine neuen Antworten hinzu, wie Heitdmann bedauert. Dennoch kommt der Rezensent am Ende zu einem wohlwollenden Urteil, schließlich lägen auf Deutsch kaum Lebenberichte des beliebtesten Diktators nach Castro vor.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 11.06.2016

Anders als etwa Stalin oder Lenin, konnte der jugoslawische Diktator Tito seine Legitimität nicht auf ideologischem Gebiet behaupten, dafür war er ein Meister der Selbstinszenierung, der weltweit die politische und kulturelle Prominenz zu bezirzen pflegte, weiß Marc Reichwein. Bis heute überdauert die Legende des charismatischen Führers, der Jugoslawien allein durch seine Person zusammenhielt - sodass es zerfallen musste, als er starb, so der Rezensent. Mit diesem Bild räumt Jože Pirjevec in seiner Biografie "Tito" auf, verrät Reichwein. Zwar schildert auch er Titos Charme und politische Chuzpe, aber er betont ebenso die Präsenz nationalistischer Unabhängigkeitsbewegungen schon in den Siebzigerjahren, deren Analyse weit stärkere Kontinuitäten vor und nach Tito erkennen lässt, die das Scheitern des jugoslawischen Staates der persönlichen Sphäre des Diktators entziehen, fasst der Rezensent angetan zusammen.