Regina Scheer

Bittere Brunnen

Hertha Gordon-Walcher und der Traum von der Revolution
Cover: Bittere Brunnen
Penguin Verlag, München 2023
ISBN 9783328602088
Gebunden, 704 Seiten, 30,00 EUR

Klappentext

Ausgezeichnet mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2023. Die Lebensgeschichte einer außergewöhnlichen Frau. Eine Alternative zum Kapitalismus ist möglich, eine Welt ohne Krieg, Armut und Ausbeutung: davon ist die junge Jüdin Hertha Gordon, später Walcher, überzeugt, als sie sich in den 1910er-Jahren den Sozialisten anschließt und in den Kampf stürzt. Hautnah erlebt sie den großen Traum von der Revolution, aber auch das Scheitern und schmerzhafte Ende der Illusionen mit. Die Geschichte ihres Jahrhundertlebens ist das Panorama einer Epoche. Regina Scheer erzählt von einer außergewöhnlichen Frau in unruhigen Zeitläuften, geprägt von existenziellen Auseinandersetzungen unter Gleichgesinnten in der Weimarer Demokratie, während die Nazis bedrohlich erstarken, von Widerstand, Flucht und Exil sowie der Hoffnung auf den Aufbau eines anderen Deutschland nach dem Krieg. Regina Scheer kannte Hertha Walcher (1894-1990) seit ihrer Kindheit und führte über viele Jahre Gespräche mit ihr. Sie bietet einen außergewöhnlichen, sehr privaten Blick auf eine beeindruckende Frau, die klandestin nach Moskau reiste, um Dokumente zu überbringen, und dort Lenin und Stalin begegnete; die Spezialistin in der Herstellung von Geheimtinte war, deren Weggefährten Rosa Luxemburg, Clara Zetkin, Wilhelm Pieck, Bertolt Brecht, Willy Brandt hießen. Voller Empathie erzählt Scheer von einem entbehrungsreichen Leben im Dienst einer großen Idee, von unzerstörbarer Hoffnung, von Verbundenheit und Hilfsbereitschaft, aber auch von erbittertem Streit unter Menschen, die doch das gleiche Ziel verfolgen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.07.2023

Rezensent Lothar Müller hat größte Achtung schon vor den Bedingungen, unter den Regina Scheer diese Biografie ihrer Tante Hertha Gordon-Walcher verfasst hat. Denn die Tante, überzeugte Sozialistin, Vertraute von Clara Zetkin und Rosa Luxemburg, verbat sich Aufzeichnungen und Tonbandaufnahmen der vielen persönlichen Gespräche, die sie mit Scheer führte. Erst dreißig Jahre später wertete die Autorin ihre Erinnerungen aus, wir haben es entsprechend mit einer sehr persönlichen, intensiven, dennoch detailreichen "Oral History" zu tun, versichert der Kritiker. Und so erfährt er hier allerhand über ein Jahrhundertleben, das in einer jüdischen Familie in Königsberg begann, durch die Oktoberrevolution in Moskau und die Kämpfe der KPD in der Weimarer Republik ebenso geprägt wurde wie durch das Exil in Frankreich und den USA und schließlich nach Jahren in der DDR im wiedervereinigten Berlin endete. Mehr noch: Dank Scheers sorgfältiger Archivrecherche kann der Rezensent aus dem Buch ganze Broschüren herausfiltern, etwa zu den "Walchers und Willy Brandt" oder zu Bertolt Brecht. Nicht zuletzt liest er das Werk als "Gruppenporträt" vor allem der zahlreichen Frauen in Spartakusbund, KPD, SAP und SED, die Teil von Gordon-Walchers politischer Familie wurden. Über die "Abgründe" dieser Familie hätte Müller allerdings gern noch ein wenig mehr erfahren.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.07.2023

Rezensent Alexander Gallus pocht nicht so sehr auf historiografische Methodik in Regina Scheers Buch über die Zetkin-Vertraute Hertha Gordon-Walcher, als auf die erzählerische Verve und die Materialfülle, die Scheer dem Leser bietet. Für Gallus ist ein Buch entstanden, das das eher unbekannte Leben, Denken und Fühlen Gordon-Walters auf fruchtbare Weise in den Kontext von Geschichte, Gruppierungen und Einzelpersonen stellt. Auch wenn der Leser mitunter nur schwer den Überblick behält, so Gallus, liest sich diese "nachgeholte Autobiografie" mit Gewinn.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.05.2023

Völlig zurecht hat diese monumentale Biografie den Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse bekommen, freut sich der begeisterte Rezensent Alexander Cammann: Dies Buch sei ein wahrhafter historischer Pageturner, und überdies widme es sich einer der wenig gewürdigten Figuren aus der zweiten Reihe der KPD, die noch dazu eine Frau war. Hertha Gordon-Walcher hatte durchaus ihre Schwierigkeiten mit der KP, wurde 1928 nach der stalinistischen Wende aus der Partei ausgeschlossen, war klug genug, in die USA zu emigrieren, und dumm genug in die DDR zurückzukehren, der sie trotz ihrer dauerhaft randständigen Position in der SED lebenslang treu blieb. Cammann würdigt besonders, dass die große Erzählerin Scheer dauerhaft Distanz wahrt, sich nicht von "nostalgischer Revolutionsromantik" anstecken lässt. Erst so ist das Blickfeld frei für eine spannende Geschichte über die Linke in Deutschland, in der übrigens auch ein gewisser Willy Brandt (den Gordon-Walcher wegen seiner Wendung zur Demokratie als Verräter betrachtete) vorkommt.