Jürgen Dehmers

Wie laut soll ich denn noch schreien?

Die Odenwaldschule und der sexuelle Missbrauch
Cover: Wie laut soll ich denn noch schreien?
Rowohlt Verlag, Reinbek 2011
ISBN 9783498013325
Gebunden, 320 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Der Missbrauchsskandal an der Odenwaldschule hat die deutsche Öffentlichkeit in Atem gehalten. Dass ausgerechnet in einer pädagogischen Modellschule sexuelle Übergriffe stattgefunden haben, schockierte die Menschen und viele wollten die schreckliche Wahrheit zuerst nicht glauben, weil die Ereignisse ihre Vorstellungskraft überstiegen. Dazu sagt Jürgen Dehmers: Hört auf, euch etwas vorzustellen, hört uns endlich zu! Mittlerweile ist bekannt, dass über hundert Schüler Opfer des Missbrauchs waren und mehr als ein Dutzend Lehrer und Erzieher zu den Tätern gehörten. Mit Jürgen Dehmers berichtet zum ersten Mal eines der Opfer persönlich von den Vorfällen. Dehmers gelang es bereits als jungem Mann, trotz massiver Traumatisierungen und ideologischer Gehirnwäsche, ein Leben nach der Odenwaldschule zu finden und Distanz zwischen sich und den schrecklichen Erlebnissen zu schaffen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 29.09.2011

Nach den zahlreichen Missbrauchsfällen des vorigen Jahres sichtet Heinz-Elmar Tenorth in einer Sammelbesprechung die ersten analytischen Auseinandersetzungen zu diesem Thema. "Beeindruckend und bedrückend" empfand Tenorth den autobiografischen Bericht Jürgen Dehmers aus dem "System Becker", das der Leiter der reformpädagogischen Odenwaldschule dort über Jahre etablierte. Dehmers' Bericht macht für Tenorth klar, dass der Missbrauch Methode hatte und durch ein Netz des Schweigens gedeckt wurde, dass innerhalb und außerhalb der Reformschule entstanden ist. Die "Schreckensgeschichten" kamen schon Ende der neunziger Jahre ans Licht, wie Tenorth hervorhebt, als Dehmers einen Bericht über den systematischen Missbrauch an der Odenwaldschule in der FR veröffentlichte. Für Tenorth liefert dieses Buch eine deutliche Antwort darauf, warum der pädagogische Skandal erst jetzt politische Aufmerksamkeit erlangt hat. So systematisch wie das Schweigen, fasst Tenorth zusammen, waren auch die "Vertuschungsstrategien" von Lehrern, Eltern und nicht zuletzt einer unkritischen Öffentlichkeit, die der Reformpädagogik lange Zeit positiv gegenüberstand.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.09.2011

Jürgen Dehmers Buch über seine Leidenszeit an der Odenwaldschule, wo er jahrelang fast täglich den sexuellen Übergriffen des Schuldirektors ausgesetzt war, ist dem Rezensenten Tanjev Schultz unter die Haut gegangen. Wenn er von den Missbrauchsfällen, der allgemeinen Gewalt an der Schule und den ideologischen Verirrungen liest, von denen Dehmers neben seiner persönlichen Geschichte berichtet, kann er sich nur ungläubig fragen, warum die Schule nicht schon vor "Jahrzehnten geschlossen" wurde. Dehmers bricht aber trotz seiner schonungslosen Anklage der reformpädagogischen Vorzeigeschule keine Lanze für die "konservative Pädagogik", fällt Schultz auf.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 01.09.2011

Erschüttert zeigt sich Christian Bommarius von der Lektüre von Jürgen Dehmers' Schilderung seiner Missbrauchsgeschichte an der Odenwaldschule. Die Weigerung von Schule und Öffentlichkeit, die Leiden der Opfer anzuerkennen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, haben den Rezensenten dabei sogar noch mehr schockiert als der "schonungslose" Bericht des selbst zum Missbrauchsopfer gewordenen Autors, der hier unter einem Pseudonym schreibt, wie der Rezensent mitteilt. Ist schon die detaillierte Rekapitulation der Erlebnisse sexueller Gewalt an der Schule kaum erträglich, so wird der darauf folgende Kampf Dehmers' um Gerechtigkeit, Anerkennung und Entschädigung von sich und anderen Missbrauchopfern zur qualvollen Lektüre, gibt Bommarius zu. Und die Entschädigungssumme von 50.000 Euro für alle 132 Missbrauchsopfer zusammen, die die Odenwaldschule nun "nach langem Sträuben" bereitstellt, macht den Rezensenten dann am Ende  bitter und zornig.