Justin Stagl

Eine Geschichte der Neugier

Die Kunst des Reisens von 1550-1800
Cover: Eine Geschichte der Neugier
Böhlau Verlag, Wien 2002
ISBN 9783205994626
Gebunden, 413 Seiten, 55,00 EUR

Klappentext

Mit 21 historischen Abbildungen. In der Periode vom Späthumanismus bis zur wissenschaftlichen Revolution (1570-1660) kam es zu einer bemerkenswerten Verfeinerung der drei Kulturtechniken: Reisen, Umfragen und Sammeln. Die Ratgeberliteratur zur Ars Apodemika, der Kunst des Reisens, nahm ihren Anfang: Befolgen Sie ärztliche Ratschläge für Hygiene und Diät in veränderten klimatischen Verhältnissen. Widerstehen Sie fremde Riten, vor allem wenn Sie ein frommer Protestant auf ihren Bildungsreisen nach Italien sind. Beobachten Sie genau, ohne selbst beobachtet zu werden... Mehr als 10.000 Exemplare wurden vom "Hand- und Reisebuch für alle in die Fremde ziehenden jungen Personen" 1734 verkauft. Das Buch des Salzburger Kulturwissenschafters Justin Stagl gibt erstmals eine zusammenfassende Darstellung der Methoden und Techniken der Sozialforschung in der vormodernen Gesellschaft.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.01.2003

Mesopotamien führte man auf Reisen Befragungen durch und Moses schickte Experten auf Feldforschung nach Kanaan. Das ist im Einleitungskapitel von Ludwig Stagls soziologischer Studie zur Wissenschaft, die das Reisen sein kann, zu erfahren. Die "Neugier" des Reisenden blieb allerdings bis zum Humanismus auf wenige Privilegierte beschränkt - erst dann gab es die ersten bürgerlichen "Bildungsreisen". In Basel wurde in den 1560er Jahren eine Liste mit nicht weniger als 117 Fragen erstellt, auf die tunlichst Antwort suchen sollte, wer sich reisend bilden wollte. Es entstanden in den nächsten Jahrhunderten "Tauschbörsen" des Wissens und "Informationsnetzwerke". Der Rezensent Gerrit Walther mag das Buch, jedoch vor allem da, wo es sich nicht streng soziologisch gibt (das tut es in den ersten drei Kapitel), sondern wo es sich die Freiheit der "Einzelstudie" erlaubt, in den fünf weiteren Abschnitten.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.12.2002

Justin Stagls "Geschichte der Neugier" hat Rezensent Florian Coulmas nicht hundertprozentig überzeugt. Seiner Grundthese, die Sozialforschung sei so alt wie die Menschheit und in allen Kulturen anzutreffen, liegt nach Ansicht von Coulmas ein extrem breites Verständnis von Wissenschaft zugrunde, wonach jede Form des Wissens über das Zusammenleben der Menschen schon zur Wissenschaft gehört. Klar, so Coulmas, dass Reisende davon zu berichten wissen, kommen sie doch mit Gesellschaften in Berührung, die sich von ihren eigenen unterscheiden. Der Prozess der Verwissenschaftlichung des Reisens macht indes erst in der Zeit zwischen Mitte des 16. und Ende des 17. Jahrhunderts entscheidende Fortschritte, und um diese Epoche geht es dem Autor eigentlich, stellt Coulmas klar. Anstatt sich aber auf die Zeit von 1550 bis 1800 zu konzentrieren, setzt Stagl zum Bedauern des Rezensenten bei "Adam und Eva" an, um seinen universalistische Grundthese zu begründen. Das verdrießt Coulmas umso mehr, als der Autor seine Reise durch die Literatur seiner Ansicht nach nicht immer gut organisiert hat und sich in spekulative Abschweifungen ergeht, die der Leser dann aber auch gleich wieder vergessen solle. Zudem sind für Coulmas zwei "irritierende Lücken" in Stagls Darstellung zu beklagen. Zum einen erfahre man nichts über Reisen, die nicht von Europa ausgingen, zum anderen erfahre man sehr wenig von Reisen über die Grenzen Europas hinaus. "Stagl schickt seine Leser auf eine wunderbare Reise", resümiert der Rezensent abschließend, "aber er belastet sie mit zu viel Gepäck."
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