Katharina Hacker

Die Erdbeeren von Antons Mutter

Roman
Cover: Die Erdbeeren von Antons Mutter
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2010
ISBN 9783100300645
Gebunden, 174 Seiten, 17,95 EUR

Klappentext

Anton ist Arzt in Kreuzberg, mit Sorge sieht er, wie seine Mutter in seinem Heimatort in der niedersächsischen Provinz gegen eine schnell fortschreitende Demenz kämpft. Jedes Jahr schickt sie ihm und seinen Freunden Alix und Bernd Erdbeermarmelade nach Berlin. Die Erdbeeren wachsen auf dem "Acker", wie sie ihren Garten nennt, den sie ihr Leben lang mit Liebe gepflegt hat. Aber in diesem Frühsommer vergisst sie, die Ableger auszupflanzen Anton muss erkennen, wie seine Mutter Stück für Stück verloren geht, und mit jeder ihrer Niederlagen verschwindet ein Teil seiner eigenen Existenz: Das vertraute Land der Kindheit. Dann trifft er Lydia und findet nach Jahren des Alleinseins eine Zukunft, in der Liebe möglich zu sein scheint. Aber Lydia bringt eine Vergangenheit mit, die in beider Leben mit Vehemenz einbricht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 14.08.2010

So ein Lob liest man selten! Rezensentin Sibylle Birrer ist außerordentlich beeindruckt von Katharina Hackers Nachfolgeband über das Leben von Alix, Anton und den anderen, eine kleine Gruppe von Berliner Mittvierzigern. Im Zentrum dieses schmalen Buchs steht Anton, der eine neue Freundin hat und dessen Mutter an Altersdemenz leidet. Wie Hacker den schleichenden Zerfall von Beziehungen beschreibt, wie sie die Demenz der Mutter aus verschiedenen Blickwinkeln "erlebbar" macht, das findet die Rezensentin schlicht meisterhaft. Hacker versteht es, mit ihrer Sprache und ihrer Dramaturgie das "emotionale Wurzelwerk der Gegenwart" freizulegen, staunt die ohne Einschränkung begeisterte Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 01.07.2010

Eher desillusioniert hat Rezensent Jochen Jung diese Novelle über die vier Fortysomethings, die er schon in Katharina Hackers letztem Buch kennengelernt hat, wieder zugeklappt. Denn für seinen Geschmack verarbeitet die Geschichte zu viel "Direktgefühl", was er für eher literaturinkompatibel hält. Das Dauerkümmern der Protagonisten umeinander macht ihn, wie man dem Ton der Kritik anmerkt, etwas mürbe. Die berührendsten und glaubwürdigsten Seiten gelingen der Autorin aus seiner Sicht noch mit den "feinen Schilderungen verschwindender Geistes- und Lebensgegenwärtigkeit" der Eltern eines ihrer Protagonisten. Von der Autorin hätte sich Jung mehr über Leben und Alltag von Anton und den anderen gewünscht. Und vom Verlag weniger Druckfehler.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.06.2010

Mit einigem Krach wurde der Literaturbetrieb auf das neue, als Trilogie geplante Romanprojekt Katharina Hackers aufmerksam. Weil der Suhrkamp Verlag in Typografie und Zweispaltentechnik nicht so wollte wie die Autorin, erscheinen die Fortsetzungen nun im S.Fischer-Verlag. Dies hier freilich ist noch gar nicht der zweite der drei Teile, sondern eine Art Seitentrieb des Projekts in Novellenform. Die Protagonisten sind eingeführt, allerdings ist der erste Band fürs Verständnis nicht vorausgesetzt. Die Art, in der Hacker hier mit Motivketten symbolisch geradezu arbeitet, erinnert den Rezensenten Friedmar Apel ausdrücklich an Goethes "Wahlverwandtschaften". Inhaltlich freilich handelt es sich um ein figurenreiches Ensemble-Porträt von nicht mehr ganz jungen, aber auch noch nicht alten Bürgern unserer Jetztzeit. Geschichten um vergangene und begonnene Liebe, um dement werdende Eltern und manches mehr. Vom Rezensenten gibt es dafür die Prädikate "meisterlich" und "ergreifend".
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 28.05.2010

Richtig erleichtert zeigt sich Meike Fessmann über Katharina Hackers Ankunft im Machbaren. Musste sie doch mit ansehen, wie Hackers Vorgängertext "Alix, Anton und die Anderen" im großen Entwurf stecken blieb. In der Fortsetzung der Fortysomethings-Geschichte aus dem heutigen Berlin gelingt nun offenbar alles aufs Schönste. Fessmann bekommt auf knappstem Raum verdichtete Lebensläufe, romantische Motive, eindrucksvolle Bilder, etwa zur Verletzlichkeit des Glücks oder zum Abgleiten in die Demenz. Dass Hacker alles streng nach den Gesetzen der Novelle komponiert, dabei unangestrengt erzählt, "so dinglich und schlicht", lässt die Rezensentin die unseligen Streitereien zwischen Hacker und ihrem früheren Verlag vergessen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.05.2010

Von den Komplikationen, die sich bei Katharina Hackers vorigem Roman "Alix, Anton und die anderen" ergaben und die zu ihrer Trennung vom Suhrkamp Verlag führten, merkt Rezensentin Judith von Sternburg in Hackers neuem Buch "Die Erdbeeren von Antons Mutter" nichts mehr. Vielmehr investiere die Autorin nun alle Kompliziertheit in ein "so kunstfertig natürliches wie subtiles" Erzählen, das mit wenigen Mitteln die größte Wirkung erzeuge, freut sich Sternburg. Hinter dem idyllisch anmutenden Titel verstecke sich ein merkwürdiges, aber realistisches Szenario von Bedrohungen, welches einen dunklen Ausblick auf die Zukunft einer Generation werfe, die in ihrem Leben "halb frei, halb eingeklemmt" sei. Hacker beschreibe einerseits sehr präzise und aus verschiedenen Blickwinkeln die Krankheitsgeschichte einer demenzkranken Mutter, andererseits die Distanz junger Kriegsveteranen zum bürgerlichen Leben. Oft reichen Hacker nur wenige Stichpunkte, um die Vorgänge in ihrem Buch so "virtuos" wie schmerzlich-treffend zu schildern, stellt die Rezensentin begeistert fest.