Manfred Kittel

Vertreibung der Vertriebenen?

Der historische deutsche Osten in der Erinnerungskultur der Bundesrepublik (1961-1982)
Cover: Vertreibung der Vertriebenen?
Oldenbourg Verlag, München 2006
ISBN 9783486580877
Gebunden, 206 Seiten, 39,80 EUR

Klappentext

Hat die Vertreibung von Millionen Deutschen aus Ostmitteleuropa nach 1945 in der Erinnerungskultur der Bundesrepublik einen angemessenen Platz gefunden? Manfred Kittel zeigt, dass Differenzierungen notwendig sind: In den 1960er Jahren zeichnete sich mit wachsender Kritik an der ostpolitischen Haltung der Landsmannschaften in Medien und intellektuellen Milieus eine zunehmende Entfremdung vom historischen deutschen Osten ab. Da aber noch alle Parteien um die Wählerstimmen der Vertriebenen rangen, blieb der erinnerungskulturelle Wandel begrenzt. Erst mit dem Machtwechsel in Bonn 1969 mehrten sich in Bund, Ländern und Kommunen die Symptome der Verdrängung.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.03.2007

"Flucht und Vertreibung" und der "historische deutsche Osten" sind zwei Erinnerungsorte, die immer bedeutender werden und noch nicht ausreichend erforscht sind, da stimmt Mathias Beer dem Autor Manfred Kittel vorbehaltlos zu. Zu seinem Leidwesen hat er nach der Lektüre der materialreichen Studie aber nicht das Gefühl, jetzt wesentlich mehr über das Thema zu wissen. Kittel könne die vielen einzelnen Befunde und Fakten nicht zu einem Gesamtbild fügen. Schwerer wiegt für Beer aber noch, dass Kittel von der "fragwürdigen" These ausgeht, dass es die sozialliberale Koalition war, die an den Vertriebenen durch die neue Ostpolitik quasi eine "zweite, geistige Vertreibung" vorgenommen hat. Beer kann dem Autor zudem nicht in der Annahme folgen, die erinnerungspolitische Verarbeitung des deutschen Ostens sei eine Geschichte voller vertaner Chancen. Diese Sichtweise riecht für den Rezensenten noch nach einer Zeit, in der "Flucht und Vertreibung" und die Erinnerung an den deutschen Osten als "politische Waffen" im Kampf um territoriale Ansprüche eingesetzt wurden.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 31.01.2007

Rezensent K. Erik Franzen findet, dass sich Manfred Kittels intendierte Geschichte vom Vergessen der Vertriebenen in den 70er Jahren eigentlich entgegengesetzt lese. Gerade die ideologischen Auseinandersetzungen der damaligen Zeit, so der Rezensent, ergäben das Bild von einer umfassenden "Erinnerungslandschaft". Auch "outet" sich Manfred Kittel aus Sicht des Rezensenten gewissermaßen selbst, wenn er sich als Befürworter eines nationalen Zentrums gegen Vertreibung in Berlin zu erkennen gäbe. Durchaus Recht habe der Autor mit seinem grundsätzlichen Befund, dass ostdeutsche Vertriebene als "verdiente" Opfer stigmatisiert und gesellschaftlich als "unerwünschte" Opfer behandelt worden seien. Hingegen unterschlage er die eigentliche Ursache für diese Ungerechtigkeit, nämlich die revisionistische Ideologie und das Auftreten der Landsmannschaften. Die Leidtragenden aller Grabenkämpfe bis heute, so der Rezensent, seien aber tatsächlich die Vertriebenen mit ihren individuellen Erinnerungen.