Marcelle Sauvageot

Fast ganz die Deine

Cover: Fast ganz die Deine
Nagel und Kimche Verlag, Zürich 2005
ISBN 9783312003549
Gebunden, 107 Seiten, 12,90 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Claudia Kallscheuer. Mit Nachworten von Charles du Bos und Ulrike Draesner. Eine junge Frau reist 1930 wegen eines Lungenleidens von Paris ins Sanatorium von Hauteville. Dort findet sie ein Schreiben ihres Verlobten vor. Es ist ein Abschiedsbrief und darin steht: "Ich heirate ... Unsere Freundschaft bleibt." Die junge Frau versucht den Schock zu überwinden, indem sie auf die Zumutung antwortet - in einem Brief, der nie abgeschickt wird.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.05.2005

Rezensent Thomas Laux ist berührt von diesem Buch, das die Französin Marcelle Sauvageot offensichtlich kurz vor ihrem Tod - sie starb 1934 im Alter von 33 Jahren in einem Lungensanatorium - als Privatdruck veröffentlicht hatte. Es geht um eine junge Frau, die von ihrem Geliebten wegen einer anderen verlassen wird. Der Freund macht ihr jedoch ein Angebot: sie sollten Freunde bleiben. Offenbar sieht er darin noch einen "Liebesbeweis", erzählt der Rezensent. Der Liebeskummer der Verlassenen findet Ausdruck in einer "höchst ungewöhnlichen sprachlichen Verdichtung von Schmerz und Aufbegehren", schreibt Laux. Das Angebot des Freundes gibt jedoch Anlass zu "bissigen Repliken", die den Kummer ein wenig einzudämmen scheinen. Der Rezensent ist gerührt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.03.2005

Eine "exemplarische Abrechnung mit der Liebe" nennt Renate Schostack dieses erstmals 1933 erschienene Journal Intime von Marcelle Sauvageot, das in der Tradition der analytischen Bekenntnisliteratur Frankreichs steht und Literaten wie Valery und Claudel faszinierte. Schostack attestiert dem Buch, in dem eine junge Frau, gerade in einem Lungensanatorium angekommen, den Abschiedsbrief ihres Geliebten kommentiert, die "Klarheit und Härte eines Kristalls". Schreibend trete sie mit dem Mann in ein Gespräch, das keine Nähe trübe, die Frauenklage werde zur Selbstbefragung: Was ist Liebe, was ist Freundschaft, wer war der Mann, wer bin ich, die dem Tod entgegengeht? Bedauerlich findet die Rezensent nur, dass die "Schönheit des schmalen Textes" im Deutschen nur "schwer nachzuempfinden" ist. Hier wirke er "streng und kahl", während im Französischen die Kühle und Simplizität dieser Sätze klassische Erhabenheit ausstrahlten. "So wird das schmale Bändchen hierzulande wohl nicht den Kultstatus erreichen, den es in Frankreich im vorigen Jahr erlangt hat."
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.03.2005

Schon Paul Claudel und Paul Valery haben sich zu Marcelle Sauvageots 1934 postum veröffentlichten Manuskript anerkennend geäußert, weiß Joseph Hanimann, der seinen prominenten Vorläufern darin offensichtlich nicht nachstehen will. Eine "subtile Meditation" über die Welt zwischen Mann und Frau habe Sauvageot da verfasst. Die Beschreibung der zähen inneren Trennung von ihrem ehemaligen Verlobten verharren durch die "Präzision der Beobachtung" und die "nuancierte Exaktheit es Ausdrucks" nicht im nur Persönlichen, sondern erreichen allgemeine, absolute Reflexionshöhen. Die "subtile Präzisionsarbeit" der Übersetzerin lässt diese Zwischentöne auch im Deutschen hörbar werden, lobt der Rezensent, der auch mit der "feinsinnigen Nachbetrachtung ohne Empfindungsschnörkel" sowie den Begleittexten des Herausgebers seine Freude hat. Insgesamt ein "reizvolles" Buch zwischen "journal intime, Empfindungsstenogramm und literarischem Krankheitsbericht der Liebe".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.02.2005

Als "kluge Mischung" von Liebesbrief und Liebesessay feiert Rolf-Bernhard Essig das rund siebzig Jahre alte Büchlein der Französin Marcelle Sauvageot, das gar nichts Verstaubtes an sich habe. Sauvageot antwortete darin auf einen Trennungsbrief ihres Geliebten, der nach dem wandlungsfähigen und zählebigen Motto, wir wollen Freunde bleiben, verfasst war. Ironisch wechselt Sauvageot zwischen dem Du und dem Sie, zwischen Distanz und Nähe, Analyse und Aufbegehren, so Essig, stets aber gingen "Stil und Wahrheitswille Hand in Hand". Damit überwand Sauvageot scheinbar mühelos die Grenzen zwischen persönlichem Zeugnis und Literatur, der Text kursierte damals als Privatdruck im Freundeskreis, berichtet der Rezensent. Sicher haben auch die tragischen Umstände das ihre dazu beigetragen, "Fast ganz die deine" zu einem Kulttext zu machen (seit der Neuauflage 2003 steht das Buch in Frankreich auf den Bestsellerlisten); es blieb die einzige Veröffentlichung Sauvageots, die 1934 an Tuberkulose starb. Ihre Erkrankung ist ein Nebenthema des Textes, der mit einer Ballszene im Sanatorium endet, die Essig an Thomas Manns "Zauberberg" erinnert. Ärgerlich und veraltet findet der Rezensent den Beitext von Charles du Bos, wohingegen das "hellsichtige" Nachwort von Ulrike Draesner diese Schlappe wieder wett macht.
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