Marilynne Robinson

Jack

Roman
Cover: Jack
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2022
ISBN 9783103971071
Gebunden, 384 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Uda Strätling. Jack ist der verlorene Sohn einer weißen Familie. Sein Vater ist Priester, aber er ein obdachloser Herumtreiber und charmanter Vortänzer in schäbigen Dancehalls. Ihn bindet eine zärtlich tragische Beziehung an Della, einer Schwarzen Lehrerin - ein Tabubruch in den USA der fünfziger Jahre, der ihr Leben aus den Angeln hebt. Roman für Roman folgt Marilynne Robinson in ihrer Tetralogie den verzweigten Lebensläufen der Menschen in Gilead, einer kleinen Stadt im Mittleren Westen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.02.2023

Beeindruckt liest Rezensentin Ursula Renner den dritten Teil von Marylinne Robinsons Gilead-Erzählzyklus, der die im zweiten Teil angelegte Beziehungsgeschichte zwischen einer jungen schwarzen Englisch-Lehrerin und dem titelgebenden "Jack", einem Gelegenheitskriminellen und Büchernarr, weiterführt. Diese Liebe ist eine unmögliche, denn die Handlung ist im Amerika der fünfziger Jahre angesiedelt, die Segregation verhindert den Traum eines gemeinsamen Lebens. Renner fühlt sich an Romeo und Julia erinnert, möchte das Buch aber weder dem Tragischen noch Komödiantischen zuordnen, eher findet sie die Geschichte ein wenig "überirdisch". Die Kritikerin sieht die Stärke des Buches auch in der metaphysischen Reflexion über die Möglichkeiten von Liebe und Gnade, die, wie sie findet, Komplexität schaffen und den Leser zum Nachdenken anregen. Etwas kritisch betrachtet die Rezensentin die Übersetzung von Uda Strätling, die ihr zufolge die authentische Alltagssprache im Roman zu sehr in Schriftdeutsch umwandelt und dessen "religionsphilosophische Feinheiten" teilweise unterschlägt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.01.2023

Marilynne Robinson ist in den von ihr erdachten Ort Gilead in Missouri zurückgekehrt und Sylvia Staude war auf den vierten Roman über die Familien Ames und Boughton sehr gespannt. Er spielt in den Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und stellt einen atheistischen, kriminellen, aber auch moralischen jungen Mann in den Mittelpunkt der kleinen Gemeinschaft weißer Methodisten. Die gute Nachricht der Rezensentin für alle Neueinsteiger in das Werk der bekennenden Calvinistin Robinson: Auch dieser Roman kann als Solitär gelesen werden. Die schlechte Nachricht: Die Liebe von Jack zu einer schwarzen Frau in eine sozialkritische Geschichte über den Rassismus in den USA zu packen, war für Staude leider keine gute Idee, denn für sie bleiben die Figuren viel zu undifferenziert. Schmerzlich vermisst sie außerdem die Eleganz, mit der Robinson in ihren drei ersten Romanen brillierte und berührte.  

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.01.2023

Rezensentin Maike Albath freut sich, dass Marilynne Robinson ihr "Karussell der Perspektivwechsel" weiterdreht. So wird diesmal aus der Sicht Jack Boughtons selbst erzählt, der in den vorherigen Romanen durch die Augen anderer Figuren betrachtet wurde: ein vom Weg abgekommener Pastorensohn, Dieb und Lügner, der seine gute Herkunft in den Wind schoss und "verlotterte". Von ihm und seiner missbilligten Beziehung zu einer bürgerlichen schwarzen Lehrerin im Mittleren Westen der 1950er Jahre erzählt der neue Roman; und von der "Spannung" dieser verkehrten Vorzeichen lebt die Liebesgeschichte, so Albath. Dass Robinsons Schreiben immer etwas Theologisches anhafte und auch hier im Grunde das Thema der Nächstenliebe verhandelt werde, ist für die Kritikerin offensichtlich. Unabhängig davon schätzt sie den "tiefen Ernst" und die Intensität, mit der die Autorin das Innenleben ihrer Figuren sowie die historischen Umstände und verschiedene Formen des Rassismus zeichne.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 13.12.2022

Rezensentin Meike Feßmann hofft darauf, dass Marilynne Robinson ihren Erzählkosmos weiter ausbaut. Den vorliegenden Text liest sie als Vorgeschichte zu Robinsons Romanzyklus um den kleinen Ort Gilead in der Prärie des Mittleren Westens. Der 2020 im Original erschienene, laut Feßmann von Uda Strätling überzeugend übersetzte Roman spielt Mitte der 1950er und bietet wie die anderen Teile eine topologisch schlüssige Erzählweise, erklärt Feßmann. Wie gekonnt Robinson christliche Topoi wie Gnade und Erlösung behandelt, aber auch die Sehnsucht nach Geborgenheit, versetzt Feßmann immer wieder in Erstaunen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 09.12.2022

Als würde sich die Geschichte von Jack und Della aller Bewertbarkeit entziehen, oder als sei das letzte Wort des Lobes über Marilynne Robinson schon gesprochen worden, beschränkt sich Rezensentin Manuela Reichart darauf, nachzuerzählen, was Robinson auf knapp 400 Seiten entwickelt. Und sie tut dies auf eine Weise, die deutlich macht: Von der Liebe zwischen dem weißen Trinker, Lügner und Betrüger Jack und der schwarzen, religiösen, braven Della - einer Liebe, die sich gegen alle gesellschaftlichen und familiären Widerstände durchsetzt, liest man nicht nur, man durchlebt sie geradezu. Vielleicht entzieht sich eine auf diese Art rezipierte Liebesgeschichte tatsächlich der Bewertung nach mehr oder minder objektiven Kriterien.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 03.12.2022

Rezensent Richard Kämmerlings singt keine Hymne mehr auf Marilynne Robinson, das haben andere vor ihm zur Genüge getan, meint er. Stattdessen fasst er Themen und Inhalt dieses vierten Romans der Autorin zusammen, der in der kleinen, abgeschlossenen Welt von Gilead spielt - eine Provinzstadt im Mittleren Westen der USA in den 50ern: Wer Robinson kennt, kennt auch Jack - in diesem Roman die titelgebende Hauptfigur - der berüchtigte Lump Gileads - ja, ein Lump, ein Looser, ein Lügner und Trinker ist er, und das wissen alle, auch die junge schwarze Della, in die sich Jack verliebt. Trotzdem erwidert Della seine Zuneigung und es beginnt eine tragische Liebesgeschichte, denn Della und Jack leben in Welten, in denen die Rassentrennung sehr ernst genommen wird, resümiert der Kritiker. Beeindruckt zeigt sich Kämmerlings vor allem davon, wie Robinson die im Wesentlichen bereits aus den Romanen "Gilead", "Zuhause" und "Lila" bekannte Geschichte noch einmal derart zugespitzt erzählt, dass man das Buch nicht aus der Hand legen mag. Dieses Buch ist, so fasst der berührte Rezensent zusammen,  "Welttheater", das nach "dem Heil des Menschen" fragt, in einer "heillosen Zeit".