Marion Poschmann

Geistersehen

Gedichte
Cover: Geistersehen
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010
ISBN 9783518421291
Gebunden, 126 Seiten, 17,80 EUR

Klappentext

In ihrem neuen Gedichtband "Geistersehen" nähert sich Marion Poschmann dem Sichtbaren über das Unsichtbare: der Leere, der Zeit, den Gründen und Abgründen des Ich. Dabei nutzt sie die Vielschichtigkeit der Wahrnehmung aus und geht bis zu den Grenzen, zu denen der einzelne mittels der Macht der Einbildungskraft vordringen kann. Ihr lyrisches Ich begibt sich an den Punkt der Unschärfe und beobachtet von dort, wie Wirklichkeit entsteht und sich wieder auflöst. In spielerischer Anlehnung an die Tradition des poeta vates widmet sie sich der Betrachtung von Kräuterbüchern, Renaissance-Portraits oder dem "Wiedehopf auf Truppenübungsplätzen"; sie entwirft flirrende Verse für bislang Ungesehenes, etwa "das Nivea-Gefühl" oder "Minusmengen", und sie findet strenge Formen für Flüchtigstes wie Dampf, Glanz, "Schall und Rauch". Ihre Gedichte handeln vom Überschwang der Bilder und von dem, was diese Bilder verdecken.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.08.2010

Ganz scheint Rezensent Tobias Lehmkuhl von diesem Gedichtband nicht. Marion Poschmann weiß, was sie tut, so viel ist ihm klar, unbedacht geht sie nie vor. Es ist eine Welt der Auflösung, die Poschmann hier zeigt, alles verschwindet in Nebel, Dunst und Ungewissen, worüber auch die Alliterationen den Rezensenten nicht hinwegtäuschen können. Womit er aber nicht ganz klar kommt, ist eine gewisse Art der Selbstgenügsamkeit dieser Gedichte. Beteiligt oder in die Welt hineingezogen fühlte er sich als Leser nur selten.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.06.2010

Fasziniert zeigt sich Andreas Wirthensohn von Marion Poschmanns Band "Geistersehen". Er würdigt sie als eine Autorin, die sowohl mit ihrer Lyrik als auch mit ihrer Prosa zu glänzen und zu überzeugen weiß. Die Gedichte des vorliegenden Bands folgen für ihn einer "Poetik der Unschärfe", sie suchen "hinter das Sichtbare der Dinge zu blicken", wo der Blick sogleich an Schärfe verliert und "das Ding aus Dunst" kontempliert, zitiert er die Autorin. Die Unschärfe, das Verschwommene in den Bildern erinnert Wirthensohn an die Rauminstallationen Olafur Eliassons.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.06.2010

Für Insa Wilke gehört die Autorin zu den wichtigsten Stimmen der Gegenwartslyrik. Die Poetik dieses Bandes umreißt Wilke, indem sie auf den Vorgang des Schauens aufmerksam macht. Bei Marion Poschmann ist es ein langes Schauen, das die Oberfläche der Dinge transparent macht auf "eine andere Form". So werden Fußgängerzone, Ampelrot, Plastikfolie zu Ausgangspunkten einer Anschauung, die bald in Reflexion übergeht und Zeit speichert, anstatt sie zu verbrennen, wie Wilke erklärt. Dem Ich der Gedichte wird so der Raum, die Landschaft anverwandelt. Für Wilke bieten die Texte den perfekten Gleichklang von scharfer Reflexion einerseits und schwebendem Rhythmus und beiläufigem Reim andererseits. Schön geerdet findet sie die Gedichte auch, wenn Poschmann etwa "Sieh her, Unendlichkeit", ruft: "was muss, / das muss". Gedichte zum laut lesen, zum Auswendiglernen, schwärmt Wilke.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.05.2010

Michael Braun entdeckt in Marion Poschmanns Lyrikband "Geistersehen" ein lyrisches Ich, das Wahrnehmungsformen, insbesondere das Sehen, kritisch reflektiert und ihr Erkenntnispotenzial infrage stellt. Das findet der beeindruckte besonders dann richtig "aufregend" und fesselnd, wenn sich die Autorin klassischer Formen wie des Sonetts bedient. Gerade das Naturgedicht erfährt bei Poschmann eine kritische Behandlung, der romantischen Sehnsucht von Ich und Natur wird eine radikale Absage erteilt, so Braun. Wie die Autorin der Lyrik die "Erfahrungsnaivität austreibt", erregt die Bewunderung des Rezensenten, und er rühmt Poschmanns Gedichte als herausragende "Wahrnehmungskunst", die die Erkenntniskraft des Empirismus kritisch hinterfragt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.04.2010

In Marion Poschmanns Gedichten geht es, wie der Titel "Geistersehen" andeutet, um das nicht Greifbare, das in seinem Realitätsstatus Unklare, auch ums Ungefähre. Die Gefahr, die darin liegt, ist klar: dass die Gedichte selbst ungefähr werden. Das aber, versichert der Rezensent Wulf Segebrecht, passiert hier an keiner Stelle. Vielmehr nehme die Dichterin die Welt und die Dinge - vom Lindenbaum bis zur Qualle - in scharfgestellter Ungreifbarkeit in den Blick. Manchmal, so Segebrecht, streng zum Sonett formalisiert, in der Regel aber in freieren Rhythmen. Der Band als Ganzer ist fast systematisch durchkomponiert, es kommt dabei aber, lobt der recht begeisterte Rezensent, zur erstaunlich geschmeidigen Synthese von Gedanken und Bild und in leichter Distanz verharrendem Ich.
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