Mathias Bölinger

Der Hightech-Gulag

Chinas Verbrechen gegen die Uiguren
Cover: Der Hightech-Gulag
C.H. Beck Verlag, München 2023
ISBN 9783406797248
Kartoniert, 256 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

"Sperrt alle ein, die eingesperrt gehören", befahl Parteisekretär Chen Quanguo, als er 2016 von Tibet nach Xinjiang wechselte. "Brecht ihre Wurzeln!" Schätzungsweise ein Zehntel der uigurischen Bevölkerung wurde daraufhin in überfüllten Umerziehungslagern interniert. Allgegenwärtige Kameras zur Gesichtserkennung und Spionage-Apps überwachen jeden Schritt der Bevölkerung - ein Hightech-Gulag. Der Sinologe und Journalist Mathias Bölinger hat zahlreiche Augenzeugen befragt und zeigt an ihren Geschichten und anhand der neuesten Leaks, wie ständige Angst, Festnahmen, Verhöre, psychische und physische Folter die Menschen zermürben. Er erklärt, wie sich das Misstrauen Chinas gegenüber den muslimischen Turkvölkern im Westen vom Kaiserreich über die Kulturrevolution bis zur Ära Xi Jinping in Wellen radikalisiert hat und welche politischen Konstellationen und Ideologien die Unterdrückung befeuern. Der Westen ist schnell mit Verurteilungen zur Stelle, Konsequenzen folgen aber nur zögerlich. Dabei hätten, wie das Buch zeigt, Politik und Wirtschaft durchaus Hebel in der Hand, um etwas zu bewirken. Keine andere Region der Welt wird auch nur annähernd so intensiv elektronisch überwacht wie Chinas westliche Provinz Xinjiang. Mathias Bölinger beschreibt, wie dieses System 2017 zusammen mit einem dichten Netz von Lagern installiert wurde.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.04.2023

Nur kurz bespricht die Ostasienkundlerin Julia C. Schneider diesen Band, den sie als wertvolle Einführung in das Thema beschreibt. Unter anderem begrüßt sie, dass Bölinger die aktuelle Verfolgung der Uiguren und anderer Minderheiten in West-China in den historischen Kontext stellt: Seit je seien die nicht-chinesischen Minderheiten dem Rassismus der zentralchinesischen Politik, aber auch der Bevölkerung ausgesetzt. Als Erkenntnis nimmt sie auch mit, dass die Zentralregierung immer mehr Lager in Xinjiang offiziell in Gefängnisse umbenannte und dass der Status vieler Insassen durch Verurteilungen sozusagen nachträglich "legalisiert" worden sei. Die Politik Chinas gegenüber den Uiguren sieht sie als völkermörderisch und zitiert als Beleg die Devise des Funktionärs Chen Quanguo, der sie ins Werk setzte: "Brecht ihre Wurzeln, Ahnenreihen, Verbindungen, brecht ihren Ursprung". Nur Druck kann helfen, schließt sie ihre Kritik, und dieser Druck müsse auch deutschen Unternehmen wie Volkswagen und BASF gelten, die in Xinjiang kollaborieren.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.04.2023

Als Sinologe und früherer Korrespondent weiß Mathias Bölinger natürlich einiges über China zu berichten, lernt Rezensent Till Schmidt bei seiner Lektüre um die Geschichte der muslimischen Minderheit der Uiguren, die in der Provinz Xinjiang flächendeckend überwacht und in Hightech-Lagern interniert wird. Bölinger verschafft ihm einen breiten historischen Überblick, was leider bedeutet, dass theoretische Überlegungen zur Staatsform in China zu kurz kommen, beklagt Schmidt. Die Quellenauswahl aus Leaks, persönlichen Erfahrungen und Zeugenberichten scheint ihm hingegen sehr ausgewogen, so kann er beispielsweise nachvollziehen, dass öffentlicher Druck auf China durchaus Wirkung zeigen kann - wenn er denn ausgeübt wird. Das lässt sich auch als Handlungsaufforderung nach Sanktionen mächtiger Staaten lesen - und dazu, die Geschichte und das Schicksal der Uiguren nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, urteilt der Kritiker.