Michael Hamburger

Aus einem Tagebuch der Nicht-Ereignisse

Gedichte. Englisch - Deutsch
Cover: Aus einem Tagebuch der Nicht-Ereignisse
Folio Verlag, Wien 2004
ISBN 9783852562704
Kartoniert, 144 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Peter Waterhouse. Mit Zeichnungen von Gotthard Bonell. Das Buch Nicht-Ereignisse sind Zeichen aus einer nicht regellosen, aber unregulierbaren, nicht regierbaren Welt, die der menschlichen Manipulation und Sprache nicht erreichbar ist, einer Welt, die sich zusammensetzt aus Wind, Regen, Kälte, Frost, Bäumen, Blumen, Tieren, besonders den Vögeln und all ihren Sprachen. Es sind Zeichen aus der nicht-übersetzten Welt, die noch nicht in den Besitz der menschlich- pseudomenschlichen Worte übergegangen ist. Vor allem der Fortschritt und die Identität sind es, die die Welt so weltlos machen. Die Vögel aber beispielsweise haben sich keine Identität erfunden, und sie verstehen es darum zu sterben. Mit ihrem Tod erleiden sie keinen Verlust an Identität, Selbstsein, Selbständigkeit; wenn sie sterben, bleiben sie im Bereich des Potenziellen und der Latenz. Die Sache der Tiere und der Natur sind die Umwendung, die Wiederkehr, das Konvertieren (im Sinn der Vertumnen, der Wandelgötter), darum gehören sie einer Welt des Erinnerns und der Rückkehr an. Vielleicht sterben die Tiere deswegen leichter, besser, weil sie erinnerungsfähiger sind als die Menschen. Fortschritt ist ein furchtbarer Tod.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.06.2004

Jürgen Brocan ist von diesem Gedichtband, das im englischen Original voriges Jahr erschienen ist, begeistert und schwärmt in höchsten Tönen von Michael Hamburgers "Alterswerk", das trotzdem "frisch und alterslos", "aktuell und unverbraucht" ist. Der Lyriker hat das Thema der Jahreszeiten aufgegriffen und "hochkonzentrierte" Beobachtungen aus der Natur notiert, erklärt der Rezensent. Dass sich daraus trotzdem kein "Rückzug in private Idyllik" ergibt, liegt an den immer wieder kursiv eingeschobenen Bemerkungen zur "globalen Situation", die unversehens in die Naturlyrik hinragen, so Brocan weiter. Für ihn sind die Gedichte "engagierte Literatur im besten Sinne", indem sie zwar anklagen, dabei aber jede "Larmoyanz" oder gar den "mahnenden Zeigefinger" vermissen lassen. Womit der Rezensent nicht ganz so zufrieden ist, sind die Übersetzungen ins Deutsche durch Peter Waterhouse. Ihm wirft er vor, sich bei aller Einfühlung, die er dem Übersetzer durchaus zugesteht, allzu oft "unbotmäßige Vergröberungen" bei den Gedichten vorzunehmen. Auch dass in der Übersetzung die "Wortstellung" der Vorlage häufig übernommen wird, erregt das Missfallen des Rezensenten, der die Vermutung hat, dass hier versucht wird, die "vermeintliche inhaltliche Schlichtheit" durch eine sperrige Syntax, die dabei notgedrungen entsteht, zu "kompensieren". Dies aber, findet Brocan, wird der Lyrik von Hamburger nicht gerecht, die seiner Ansicht nach "wahrhaft große Dichtung" ist.
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