Mieke Bal

Kulturanalyse

Cover: Kulturanalyse
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002
ISBN 9783518583548
Gebunden, 400 Seiten, 35,90 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Thomas Fechner-Smarsly und Sonja Neef. Aus dem Englischen von Joachim Schulte. Mit zahlreichen Abbildungen. Der vorliegende Band, der von Mieke Bal zusammengestellt worden ist, versammelt, neben grundlegenden theoretischen Überlegungen, eine Reihe weitreichender Einzelanalysen. Sie spannen den Bogen von einer Narratologie des Sammelns über die Semiotik des Ausstellens als eines Exponierens von Argumenten bis zu einer photographischen Lektüre Prousts oder einer "widersinnigen" Geschichte des Barock. Gemeinsam ist diesen Aufsätzen, die hier zum Teil erstmals veröffentlicht werden, nicht nur der Anspruch, die strikte Trennung zwischen Wort und Bild aufzuheben, sondern auch das Plädoyer für eine Erneuerung der Geisteswissenschaften.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.06.2003

Warum eigentlich, sei kurz gefragt, kann der großfeuilletonistische Kritiker an sich ein Theorie-Buch nur loben, nachdem er zunächst hastig beteuert hat, es habe aber nichts mit Cultural Studies oder anderen als modisch empfundenen Richtungen zu tun? Wilhelm Trapp unterliegt ähnlichem Distinktionszwang, dabei will er uns einfach Mieke Bals brillante, kluge Essays ans Herz legen. "Kulturanalyse" im Sinne der Autorin, so Trapp, ist ein Präzisionswerkzeug, eine Schulung zum Begreifen der eigenen Kultur - und zwar nicht als etwas Konstantes, sonders als etwas Dynamisches, deshalb aber nicht weniger Bedeutungsvolles. Kultur, erklärt unser Rezensent die grundlegende These, "entsteht (...) in der Spannung zwischen Macher, Werk und Betrachter". Was genau passiert beim Lesen eines Buches, beim Betrachten eines Kunstwerkes - das sei die Frage, der Bal nachgehe. Und zwar, findet Trapp, mit großer Disziplin und Genauigkeit und wunderbar interdisziplinär; Kulturanalyse, solchermaßen praktiziert, werfe nicht nur erhellende Blicke auf ihren Gegenstand, sondern sei selber eine "kluge Technik, die die Kultur mitgestaltet".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.03.2003

Kersten Knipp scheint es etwas "überzogen", das Heil in der Namensänderung von "cultural studies" in "Kulturanalyse" zu suchen, wie die niederländische Literaturwissenschaftlerin Bal es in diesem Buch tut. Eine "neue Methode" sieht der Rezensent daraus noch nicht entstehen. Er kritisiert die Autorin vielmehr, weil sie sich seiner Ansicht nach in "Belanglosigkeit und Begriffshörigkeit" verliert und dabei mit ihrem "begrifflichen Klein-Klein" kaum einen Erkenntnisgewinn erreicht. Knipp sieht sich für seine strapazierte Lesegeduld aber zumindest hin und wieder mit "verspielten Überlegungen" belohnt, und das Kapitel über das "American Museum of Natural History ", in dem Bal nachweist, dass das Museum unwissentlich seine eigene, dem "kolonialen Diskurs" verhaftete Weltsicht präsentiert, lobt er als "bestechend beobachtet". Aber so ganz und gar können diese positiven Entdeckungen ihn offensichtlich nicht mit dem Buch versöhnen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.11.2002

"Cultural Studies? Machen wir lieber Kulturanalyse!" So bringt Rezensentin Juliane Rebentisch den Tenor von Mieke Bals Buch "Kulturanalyse" auf den Punkt. Die Kritik, die die Kulturwissenschaftlerin darin an den Cultural Studies übt, ist laut Rebentisch indes ausdrücklich als Verteidigung der unkonventionellen Gegenstände, der interdisziplinären Methoden und des emanzipativen Anspruchs kulturwissenschaftlicher Forschung gemeint - im Unterschied zur oft süffisanten, destruktiven Kritik aus der konservativen Ecke der Geisteswissenschaften. Wie Rebentisch darlegt, will Bal ihr Fach in ordentliche Bahnen lenken, und plädiert daher für mehr interdisziplinäre Verständigung, mehr Bewusstsein für das schwierige Verhältnis von Deduktion und Induktion im wissenschaftlichen Umgang mit Gegenständen, mehr Vermittlung und Transparenz in der Kulturwissenschaft. Ein Anliegen, dem Rebentisch prinzipiell zustimmen kann. Allerdings wünschte sie sich darüber hinaus eine Diskussion über die Frage, "wie auf institutioneller Ebene mit dem Paradox einer interdisziplinären Disziplin umgegangen und welches Ausbildungsprofil mit einem entsprechenden Studium projektiert werden sollte." Für eine solche Diskussion wäre Mieke Bal nach Ansicht Rebentischs eine "außerordentliche prädestinierte Gesprächspartnerin".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.10.2002

Mieke Bal demonstriert, so Caroline Pross, in diesen Aufsätzen zu verschiedenen Themen, wie eine in die Kulturanalyse umgeschlagene Geisteswissenschaft im guten Falle aussehen kann. Untersucht werden so unterschiedliche Gegenstände wie Caravaggio, Proust, Bill Viola oder aktuelle Performance-Kunst. Methodisch bedient sich Bal bei ihren Analysen der Dekonstruktion ebenso wie der Psychoanalyse - ohne Rückgriff auf eine geschlossene Metatheorie -, ein gemeinsames Thema ihrer Texte aber kann die Rezensentin ausmachen: die "Intersubjektivität", deren Spuren sie in den Gegenständen verfolgt. Als Höhepunkte des Sammelbandes nennt Pross Aufsätze zu neueren Installationen und Performances und die Analyse eines Rundgangs durchs New Yorker "Museum of Natural History". Minuspunkte gibt es einzig für die Lieblosigkeit der Aufmachung des Bandes (ohne Register, ohne Ersterscheinungsnachweise) und vor allem die Übersetzung, die in ungewöhnlichem Maße misslungen scheint.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.10.2002

Dieses Buch ist schon fast komisch, meint Rezensent Dietmar Dath, allerdings nur unfreiwillig. Denn was Mieke Bal unter "Kulturanalyse" versteht, sind für Dath bestenfalls "kursorische Nichtberührungen" und "sprachloses Kategorientheater". Dabei beklagt sich die Autorin selbst, so der sich wundernde Rezensent, über die landläufige "Ungenauigkeit" kulturwissenschaftlicher Begrifflichkeiten. Irritiert zitiert Dath die verschiedenen Begriffe, die Bal aufgreift, um sie kurz darauf wieder weitgehend ungeklärt fallen zu lassen und zum nächsten "Begriffsklapperkasten" überzugehen. Doch was den Rezensenten am meisten stört, ist Bals "dauernde Koketterie mit dem forciert Unakademischen". Die Prätention einer demokratisierten Kulturanalyse werde gerade durch Bals begriffliche Vagheit disqualifiziert, meint Dath, und so erscheint ihm dieses Buch letztlich bloß als "Ausdruck des schlechten Gewissens einer Stimme, die sogar an sich selbst vorbeiredet". Außerdem, fügt Dath hinzu, setzt bei Bal die Demokratisierung, aus Scheu vor einem elitären Diskurs, am falschen Punkt an, nämlich zwischen Hochkultur und Popkultur. Das sei jedoch eine überholte Unterscheidung: "Der Abschied von 'High/Low' ist vollzogen; er war ein Abschied der Gesellschaft von den Formen, in denen sich ihre Kunst bis dahin erklärt hat, aber nicht einer von der Unterscheidung zwischen gut und schlecht."
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.09.2002

In seiner Erwähnung dieses Bandes in einer Sammelrezension lobt Jan Engelmann die holländische Kunst- und Literaturtheoretikerin für ihre These, den Akt des Ausstellens als "Sprechakt" zu begreifen und damit den Betrachtern zuzugestehen, das vorgeschlagene Narrativ auf ihre Art zu hören und sich nicht vom Herrschaftswissen der Kuratoren determinieren zu lassen. Die Frage, ob Kunst noch Zumutung sein kann, wenn alles erlaubt, gemacht und gesehen worden ist, sei, so Engelmann, auf diese Weise doch noch zu bejahen. Denn die Kunstobjekte entwickeln für jeden Besucher ein eigenes "Zurücksprechen" und untergraben so die Interpretationshoheit des Kunstbetriebs, - was sich Engelmann auch für die 11. Documenta in Kassel wünscht.
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