Nicole Krauss

Kommt ein Mann ins Zimmer

Roman
Cover: Kommt ein Mann ins Zimmer
Rowohlt Verlag, Reinbek 2006
ISBN 9783498035242
Gebunden, 320 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Grete Osterwald. "Kommt ein Mann ins Zimmer" erzählt die Geschichte von Samson Greene, einem Englischprofessor an der Columbia University, der eines Tages orientierungs- und erinnerungslos in der Wüste Nevadas aufgefunden wird. Als seine Frau Anna ihn aus dem Krankenhaus abholen will, erfährt sie, dass Samson einen Gehirntumor hat. Eine Operation rettet Samson vor dem Tod, doch die Erinnerungen der letzten 25 Jahre - seit seinem 12. Lebensjahr - bleiben verschollen. Nach New York zurückgekehrt, gelingt es ihm nicht, sein altes Leben wieder aufzunehmen: Er ist unfähig zu unterrichten, seine Frau und Freunde sind ihm fremd geworden. Doch erinnert er sich aus seiner Kindheit an seinen Großonkel Max, der noch irgendwo leben könnte, und er macht sich auf eine abenteuerliche Suche nach ihm...

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.12.2006

Als "Basisstudie" zu ihrem zweiten Roman "Die Geschichte der Liebe" hat Rezensentin Nicole Henneberg dieses erste Buch von Nicole Krauss gelesen, das nun verspätet in deutscher Sprache erschienen ist. In beiden Fällen gehe es um die Sehnsucht nach Gedächtnis und Erinnerung, nach dem Füllen des "schwarzen Loches" namens Vergessen mit Geschichten. Der Mann, der im Zentrum dieses 2002 zuerst erschienenen Romans steht, hat der Rezensentin zufolge nach einer Hirnoperation sein Gedächtnis verloren, erkennt nichts mehr wieder und hat sogar das Fühlen vergessen. Einigermaßen beeindruckt nimmt die Rezensentin nun am Projekt dieses Romans teil, den neuen Blick jenes Professors namens Samson Green auf die Welt zu rekonstruieren und mit "grandioser Konsequenz" ein neues Koordinatensystem für seine Existenz zu entwerfen. Besonders Krauss? Ausflüge in Fragen der Liebe faszinieren die Rezensentin sehr. Anhand der Ehefrau des gedächtnisverlustigen Green erforscht sie die Gefühle und ihre Beziehung zur Erinnerung. Wenn der Protagonist schließlich beginnt, "tollpatschig" seine eigenen Gefühle zu erproben, gehört das für sie zu den schönsten Passagen des Romans.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.11.2006

Nicole Krauss hat mit "Kommt ein Mann ins Zimmer" einen großartigen Debütroman hingelegt, dem man die wenigen sentimentalen Passagen ohne weiteres verzeiht, schwärmt ein begeisterter Ulrich Baron. Erzählt wird die Geschichte eines Mannes, der sein Gedächtnis verloren hat und nach verzweifelten Versuchen, seine Vergangenheit zu rekonstruieren, sich von einem seltsamen Dr. Ray Malcolm ein fremdes Gedächtnis einpflanzen lässt. Science-Fiction kann leicht peinlich werden, weiß Baron, der deshalb umso erfreuter ist, dass Kraus alle Klippen geschickt umschifft, indem er einfach aus der Perspektive der Hauptfigur erzählt, der den medizinischen Eingriff unter Narkose gar nicht mitkriegt. Dass Krauss es am Ende für nötig hält, den Onkel des Helden am Grab von dessen Mutter Sinatras "New York" singen zu lassen, verschmerzt der entzückte Rezensent angesichts dieses ansonsten sehr überzeugenden Debüts.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 14.11.2006

Das Vergessen ist das große Thema bei Nicole Krauss, verrät Rezensent Michael Schmitt, sowohl essayistisch als auch in ihrem bereits auf Deutsch erschienen Roman "Die Geschichte der Liebe". Vorstellen müsse man sich die Kunst der Autorin, schlägt der Rezensent vor, als einen "intellektuellen" Roman, dem es mehr um ein Durchspielen von Möglichkeiten gehe als um den Plot. Gleichwohl, so der Rezensent, habe der Roman Ähnlichkeiten mit einem Roadmovie oder auch einem Entwicklungsroman und sei psychologisch "dicht" erzählt. Im Vergleich zur später geschriebenen "Die Geschichte der Liebe" wirke er "leichtfüßiger" und wagemutiger, dafür aber auch weniger konsequent in all den durchexerzierten Erzähl- und Versuchsandordnungen mit vielen Figuren an vielen Orten.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.11.2006

Ein "intelligenter Erzählspaß", aber mehr auch nicht ist dieses Buch aus Sicht von Rezensentin Dorothea Dieckmann. Alles ist wohl ein bisschen zu griffig, zu glatt und plakativ postmodern geraten, um sie nachhaltig beeindrucken zu können: die Geschichte vom New Yorker Literaturprofessor, der sein Gedächtnis verlor, eine junge Frau namens Alma, die den Autor des Romans sucht, nach dessen Hauptfigur sie benannt wurde, sowie ein tot geglaubter Holocaust-Überlebender. Drei Genres, nämlich Beziehungsgeschichte, Science-Fiction und Road Movie, reihe Nicole Krauss aneinander, um daran die Hauptaspekte ihres Themas abzuhandeln, schreibt Dieckmann und skizziert ein paar Motive und Handlungsstränge des Romans. Heraus kommt nach Ansicht der Rezensentin allerdings nur die Light-Version einer Mixtur aus magischem Realismus, deLillo-Apokalypse und Carson-McCullers-Melancholie. Immer wieder sieht die Rezensentin "ehrgeize Bilder" aus dem glatten Erzählfluss ragen, die aus ihrer Sicht dann aber meist ziemlich danebengehen. Lediglich in den Nebenfiguren gelängen Nicole Krauss mitunter "glänzende Charakterisierungen".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.10.2006

Großes Lob verteilt der Rezensent Friedmar Apel an Nicole Krauss' nachgelieferten Debütroman. Krauss' "experimentelles Gedankenspiel" um den von Amnesie befallenen Samson Greene zeige, wie ausgiebig und überlegt sich die Autorin mit dem Thema der Erinnerung beschäftigt hat. Sie thematisiere das Verhältnis zwischen Erinnerung und Fremdheit, indem sie Greene, dem durch einen Tumor jegliche Erinnerung an alle Ereignisse nach seinem zwölften Lebensjahr verloren geht, in die Hände eines Gehirnforschers gibt, der von der Vorstellung beseelt ist, ein Verfahren zum operativen "Gedächtnistransfer" zu entwickeln. Nach der Operation bleibe Samson lediglich mit einem eingepflanzten und fremden "Albtraum" zurück. Krauss' "komplexe Metapher der Einsamkeit", die Empathie ausschließlich auf der Ebene der Erzählung und nicht des Erzählten realisiert, diskutiert der Rezensent beflissen vor dem Hintergrund jüngster neurobiologischer Erkenntnisse. Ganz zuletzt bemängelt er noch zweierlei: die etwas "angestrengte" Konstruktion sowie die Neigung zu sprachlichem Kitsch. Dementsprechend nüchtern ist auch Apels abschließende Lektüreerkenntnis formuliert: "dass Geschichten den Schmerz der Sehnsucht lindern können".
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