Olaf L. Müller

Zu schön, um falsch zu sein

Über die Ästhetik in der Naturwissenschaft
Cover: Zu schön, um falsch zu sein
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2019
ISBN 9783100507099
Gebunden, 576 Seiten, 34,00 EUR

Klappentext

Sind Wahrheit und Schönheit verbunden? Hilft es Naturwissenschaftlern, wenn sie ästhetisch denken? Lehrt uns Schönheit etwas über die Natur? Wenn einem wissenschaftlichen Gedanken Schönheit zukommt, steigt seine Glaubwürdigkeit: Zu diesem Satz haben sich führende Physiker seit Kepler und Newton bekannt, ohne rot zu werden. Umgekehrt ist manch ein wissenschaftlicher Gedanke zu hässlich, um wahr zu sein, und muss daher sterben. Doch warum orientieren sich Physiker so erfolgreich an ihrem Sinn für Ästhetik? Olaf L. Müller schaut den Genies bei ihrer schönheitsbeflissenen Arbeit über die Schulter. Wie er anhand zahlloser Beispiele aus Kunst, Musik und Dichtung vorführt, bestehen enge ästhetische Verwandtschaften zwischen künstlerischen und naturwissenschaftlichen Errungenschaften: Unser Schönheitssinn konstituiert einen Teil dessen, was wir in der naturwissenschaftlichen Erkenntnis anstreben.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 31.10.2019

Rezensent Ingo Arend sieht die Sache mit der Schönheit in der Naturwissenschaft offenbar ein bisschen ambivalent. Beeindruckt beschreibt er einerseits die Arbeitsweise von Müller - das Herzeigen einer Unmenge von Zitaten, Darstellung eines enorm umfangreichen empirischen Materials und ausführliche Wiedergabe antiker Streits zum Thema. Dann aber hat es ihn verstimmt, dass der Autor die im Vorjahr erschienene, ihm offenbar sehr plausibel erscheinende Kritik der Physikerin Hossenfelder, die sich gegen ein gewisses Schönheitsdogma in der theoretischen Physik wandte, nicht aufgenommen hat. Am Ende freut sich der Kritiker aber wieder mit dem Autor über "beherzte ästhetische" Urteile von Naturwissenschaftlern, die sie menschlicher machten - und findet überhaupt lohnenswert, dass da einer die angebliche Gegensätzlichkeit von Ästhetik und Rationalität etwas angreifbar macht. 

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 29.05.2019

Erst kürzlich hat die Physikerin Sabine Hossenfelder kritisch bemerkt, wegen der Fixierung auf die Schönheit einer Lösung gelängen in den Naturwissenschaften und besonders der Physik keine neuen Erkenntnisse mehr, weiß Maja Beckers. Dennoch nimmt sie Olaf L. Müllers Argumentation ernst. Müller versucht zu beweisen, dass die Kriterien der Schönheit, also der Ästhetik, denen der Wahrheit im naturwissenschaftlichen Denken entsprechen. Müller führt etwa Kopernikus ins Feld, "der sich auch aus ästhetischen Gründen für das heliozentrische Weltbild entschied". Und selbst Newton führte seine Lichtversuche so lange durch, bis sie eine seinen ästhetischen Kriterien genügende Theorie bestätigten. Natürlich findet das auch Beckers hochinteressant - besonders dort, wo Müller jene Momente dingfest macht, in denen sich die Ästhetik ins Feld der Naturwissenschaften drängt, etwa wenn "Experimente erzählerischen Mustern folgen". Aber die Rezensentin meint, Müller übertreibe dort, wo er dem "Schönheitssinn eigene Rechte einräumen will". Dagegen führt sie Keplers Theorie von der elliptischen Bahn der Erde um die Sonne an: Sie wurde lange nicht geglaubt, weil man eine kreisrunde Bahn für schöner hielt. Auch symmetrisch passende Elemente einer Theorie können einen "falschen Umkehrschluss" enthalten, warnt die skeptische Rezensentin.