Olga Grjasnowa

Gott ist nicht schüchtern

Roman
Cover: Gott ist nicht schüchtern
Aufbau Verlag, Berlin 2017
ISBN 9783351036652
Gebunden, 309 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Als die syrische Revolution ausbricht, feiert Amal ihre ersten Erfolge als Schauspielerin und träumt von kommendem Ruhm. Zwei Jahre später wird sie im Ozean treiben, weil das Frachtschiff, auf dem sie nach Europa geschmuggelt werden sollte, untergegangen ist. Sie wird ein Baby retten, das sie fortan ihr Eigen nennen wird. Hammoudi hat gerade sein Medizinstudium beendet und eine Stelle im besten Krankenhaus von Paris bekommen. Er fährt nach Damaskus, um die letzten Formalitäten zu erledigen. Noch weiß er nicht, dass er seine Verlobte Claire niemals wiedersehen wird. Dass er mit hundert Wildfremden auf einem winzigen Schlauchboot hocken und darauf hoffen wird, lebend auf Lesbos anzukommen. In Berlin werden sich Amal und Hammoudi wiederbegegnen: zwei Menschen, die alles verloren haben und nun von vorn anfangen müssen. Olga Grjasnowas Romane erinnern uns immer wieder daran, dass es nicht nur diese eine Welt vor unserer Haustür gibt, sondern sehr viele Welten, und dass es sich lohnt, sie kennenzulernen. Ihr neues Buch ist ein erschütterndes Dokument unserer Zeit.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.07.2017

Rezensent Tomas Kurianowicz bespricht Olga Grjasnowas neuen Roman "Gott ist nicht schüchtern" mit gemischten Gefühlen. Vom Bürgerkrieg in Syrien, Flucht und Geheimdienstverhören vermag die Autorin zwar so eindringlich zu erzählen, dass es dem Kritiker den Atem verschlägt. Ingesamt aber gerät ihm die Geschichte um den makellosen syrischen Arzt Hammoudi, der sogar IS-Mitglieder versorgt und die nicht minder engagierte Amal, die bei Protesten gegen das Regime ihr Leben riskiert, zu übereifrig und schwarzweiß. Handlung und Figuren bleiben dem Rezensenten überhaupt zu schematisch. Darüber hinaus wirken die dicht aneinandergereihten Schicksalsschläge und Schockbilder laut Kurianowicz nicht nur wie ein "Gewaltporno", sondern appellieren auch so brachial ans "schlechte Gewissen", dass unter der "hehren Botschaft" bald jedes Mitgefühl und jede Reflexion ersticken, klagt der Kritiker.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.05.2017

Rezensentin Wiebke Porombka möchte nicht danach fragen, wie viel von den in ihrem Roman erzählten Flüchtlingsgeschichten Olga Grjasnowa selber erlebt hat, die Wahrhaftigkeit des Textes scheint ihr eine tiefere zu sein, seine Stärke liegt für sie in der Verdichtung von Erfahrung zum Überzeitlichen. Nah geht der Text der Rezensentin ohnehin. Wie eine junge syrische Frau durch den Krieg aus ihren privilegierten Verhältnissen gerissen wird und sich als eine andere an einem fremden Ort wiederfindet und, im zweiten Handlungsstrang, wie ein syrischer junger Mann unversehens in die syrische Revolution verstrickt wird, erzählt ihr die Autorin "schnell und hart". Die abrupten Stimmungsschwankungen der Figuren verzeiht Porombka der Autorin da gerne.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.03.2017

Rezensentin Frauke Meyer-Gosau rütteln die beiden von Olga Grjasnowa erzählten Lebensgeschichten auf. Wie zwei aussichtsreiche Biografien im Arabischen Frühling völlig neu sortiert werden, wie Gewalt und Grausamkeit die privilegierten Protagonisten urplötzlich einholen und in die Flucht nach Berlin treiben, vermittelt die Autorin laut Rezensentin mit "erstaunlicher" Kenntnis des Alltags der syrischen Oberklasse vor Ausbruch des Bürgerkriegs sowie unter Bewältigung großer Stoffmassen. Dass die Biografien im Buch eine so große Wucht entwickeln, ist für Meyer-Gosau Ausweis der literarischen Meisterschaft der Autorin.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 11.03.2017

Olga Grjasnowas dritter Roman "Gott ist nicht schüchtern" haut Richard Kämmerlings mit voller Wucht um. Und das ist kein Zufall, weiß der Kritiker, der der jungen Autorin eine "manipulative", aber nie effekthascherische Wirkung attestiert. Erzählt werden zwei locker miteinander verknüpfte Lebensgeschichten, informiert der Rezensent: Jene des jungen syrischen Arztes Hammoudi, der nach seinem Studium in Paris plötzlich in seiner Heimatstadt Deir az-Zour festsitzt, nachdem sein Antrag auf Passverlängerung abgelehnt wurde. Und jene der Schauspielerin Amal, die nach der Teilnahme an Demonstrationen in der "Hölle" der Gefängnisse Assads gefoltert wird und schließlich über den Libanon nach Lesbos flieht, resümiert der Kritiker, der im Gespräch mit der Autorin erfährt, dass Elemente aus der Biografie ihres syrischen Mannes in den Roman miteingeflossen sind. Gelegentlich gerät Kämmerlings während dieser Lektüre, die nichts ausspart, nah, "realistisch-konkret" und unmittelbar von Folter, Flucht und Krieg erzählt, an die Grenzen des "Erträglichen". In jedem Fall aber kann er diesen "engagierten" Roman nur unbedingt empfehlen.