Paul Ingendaay

Warum Du mich verlassen hast

Roman
Cover: Warum Du mich verlassen hast
SchirmerGraf Verlag, München 2006
ISBN 9783865550255
Gebunden, 505 Seiten, 24,80 EUR

Klappentext

Marko ist fünfzehn, und es sind die drei wesentlichen Dinge im Leben eines "fühlenden Mannes", die ihn davon abhalten, dem altersgemäßen Nihilismus zu verfallen: Mädchen, Bücher und Gott. Die Frage nach Gott drängt sich in einem katholischen Jungeninternat geradezu auf, von Mädchen in sandfarbenen Wollpullovern kann man zumindest träumen, und Bücher, ja Bücher sind es, die für Marko Zuflucht und Überlebensstrategie bedeuten. Auch wenn er dafür von seinen Leidensgenossen Motte, Tilo und Onni immer mal wieder gepiesackt wird. Aber Robinson Crusoe auf seiner Insel musste sich schließlich auch mit dem begnügen, was ihm vor den Speer lief. Ausgerechnet in dem Jahr, als auch sein kleiner Bruder Robert aufs Collegium kommt, und Markos Verdacht sich erhärtet, dass die Ehe seiner Eltern aus dem Ruder läuft, passieren weitere verstörende Dinge: das geheimnisvolle "Buch der Ordnungen" taucht auf, die nächtlichen Gespräche mit Bruder Gregor brechen jäh ab und Marko wird, sozusagen aus heiterem Himmel, zum Boten einer schrecklichen Wahrheit?

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.04.2006

Ein Kompliment will Hans Christian Kosler dem Schriftsteller und FAZ-Feuilletonkollegen Paul Ingendaay doch machen: "Am hohen sprachlichen Vermögen gibt es keinen Zweifel." An manch anderem für ihn offenbar schon. So ist sich Kosler grundsätzlich nicht sicher, ob dem Genre des Internatsromans hundert Jahre nach Musils "Zögling Törleß" überhaupt noch neue Seiten abzugewinnen sind. Ziemlich sicher ist er sich jedenfalls, dass genau das Ingendaays sehr autobiografischem Werk nicht gelingt. Allzu erwartbar seien die lüsternen Ordensbrüder, zu fixiert aufs Private scheint ihm der sich in die Erinnerungsmuster der "Generation Golf" fügende Erzähler beziehungsweise Autor. Immerhin mache der zweite Teil des Buches - "nach dem ersten Kuss" - mehr Spaß, ja zum Schluss komme sogar einige Spannung auf. Für eine wirkliche Leseempfehlung reicht das aber nicht.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.03.2006

Kühn sei es, als Literaturkritiker selbst einen Roman vorzulegen, aber noch verwegener findet es Andreas Isenschmidt, einen Internatsroman als Debütform zu wählen. Er ist gut, er ist glänzend, meint Isenschmidt, aber - das Glänzende verliert an Glanz durch Länge. Zum einen geht Isenschmid sichtlich der bewusst gewählte Jugendjargon a la Salinger auf die Nerven - das Buch ist immerhin 500 Seiten lang, stöhnt er; zum anderen missfällt ihm der krimihafte Dreh zum Ende hin und die vielen als Fingerübung verstandenen Episoden, die den ganzen Roman für sein Empfinden in die Länge ziehen. Ansonsten will Isenschmidt nichts auf den Roman kommen lassen: besonders gelungen findet er die Romanteile, die den "Übergang von der Kindheit zur unbehüteten Zeit des Erwachsenen" als auch die Freundschaft zu einem Lehrer beschreiben. Auch das Internatsleben werde trefflich geschildert, mit all seinen grausamen Seiten und heimlichen Lüsten. Isenschmid bescheinigt Ingendaay ein gutes Gespür für Binnendramaturgie der Episoden und Handlungsteile. Bezeichnend findet der Rezensent, dass in diesen gelungenen, dichten, ernsten Teilen das Jugendidiom fast verschwindet und einem distanzierteren Ton weicht, den sich Kollege Isenschmidt für die nächsten Bücher von Ingendaay wünscht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.03.2006

Einfach gut gemacht und spannend zu lesen sei Paul Ingendaays erster Roman, lobt Rezensent Ijoma Mangold. Wichtig für diesen überzeugenden Auftritt sei wohl die klare Genreeingrenzung als Internatsroman, die von vornherein kenntlich mache, was der Roman nicht sein will, beispielsweise ein "sprachschöpferisches Kunstwerk" für den Olymp der deutschen "Kunstreligion". Mit Religion und Tradition, so der Rezensent, habe der Roman dennoch zu tun, denn der Ich-Erzähler und Internatszögling Marko kommentiere die Heuchelei und Gewaltrituale seiner katholischen Erziehung gerne in einem "travestierten Predigerton". Überhaupt inszeniere Marko seine jugendlichen Leidenschaften und seine Rebellion in einer Art sprachlichem Theater, das aus Stilparodien seiner Lieblingslektüre bestehe, durchsetzt mit den "Sprechformeln" der Jugendsprache. Nichts wirke bei diesem "herrlichen Amalgam" aufgesetzt oder effekthascherisch, kommt der Rezensent allen Bedenkenträgern zuvor, und so trage Markos Sprache als die Sprache des Romans ganz wesentlich bei sowohl zu seiner Überzeugungskraft als auch zu seinem Unterhaltungswert. Und ganz nebenbei, bekennt sich der Rezensent zu seinem Lektüregenuss, verbreite Ingendaays erster Roman auf diesem Wege einfach "gute Laune".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.03.2006

Als durchaus anregend hat Insa Wilke Paul Ingendaays ersten Roman empfunden. Besonders gefällt ihr an der Geschichte über die Internatszeit des 15-jährigen Marko, wie die Welt des Klosters mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit der 70er kontrastiert wird. Die zahlreichen literarischen Verweise findet die Rezensentin gelegentlich "überzogen", dann wieder "augenzwinkernd". Markos Bericht über die fünfjährige Internatszeit, die Prosa, Dialoge mit der direkten Ansprache des Lesers mischt, gefällt Wilke auch deshalb, weil hier diverse Gattungsformen vom Adoleszenzroman über den Krimi bis zum Schelmenroman aufeinander treffen. "Konsequent" halte Ingendaay die Perspektive seines Erzählers ein, was zeitweise "äußerst komisch" sei, wie Wilke bestätigt. Das nächste Mal wünscht sie sich von Ingendaay aber eine erzählerisch deutlich gestraffte Geschichte.