Reimer Gronemeyer

So stirbt man an Aids in Afrika

Warum westliche Gesundheitskonzepte im südlichen Afrika scheitern. Eine Streitschrift
Cover: So stirbt man an Aids in Afrika
Brandes und Apsel Verlag, Frankfurt am Main 2002
ISBN 9783860997567
Kartoniert, 176 Seiten, 14,90 EUR

Klappentext

Reimer Gronemeyer zeigt, dass die Zerstörung der afrikanischen Lebenswelt - der Familie, der Subsistenz, der Normen - die entscheidende Voraussetzung für den Erfolg des Virus geschaffen hat. Aids ist in Afrika eine Modernisierungskatastrophe. Der Autor hat zahlreiche Gespräche mit Experten und mit Betroffenen geführt. So stirbt man in Afrika an Aids ist ein leidenschaftliches Plädoyer für einen respektvollen Umgang mit den kulturellen und sozialen Traditionen Afrikas im Kampf gegen Aids.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.12.2002

Kersten Knipp hat das "einfühlsame Buch" des Gießener Soziologen Reimer Gronemeyer über die kulturellen Gründe für die epidemieartige Ausbreitung von AIDS in Afrika vor Augen geführt, wie katastrophal die Lage dort ist - und wie schwierig es ist, gegen afrikanische Traditionen die tödliche Krankheit zu bekämpfen. So sei, berichtet der Rezensent, gerade der "schnelle Sex" ohne Verhütung bei vielen Afrikanern "mythisch aufgeladen", was präventive Verhütungsmaßnahmen wie etwa den Einsatz von Kondomen erschwere. Das und vieles mehr findet Knipp sehr aufschlussreich, zeigt sich aber erstaunt, wie viel Macht und Selbstverständlichkeit Gronemeyer diesen kulturellen Mustern beimisst. Zwar könne man Afrikanern einen anderen Umgang mit Sexualität schlecht verordnen, meint der Rezensent, aber eine "herkömmliche Lebenswelt" zu "idyllisieren", wie es der Autor in seinem Buch gelegentlich tue, werde die weitere Ausbreitung der Epidemie sicher nicht verhindern, denkt Knipp.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.11.2002

Eine Streitschrift hat der Buchautor verfasst. Die Rezensentin Gaby Mayr nimmt das wörtlich und antwortet ihrerseits mit einer Streitschrift. Einig sind sich Autor und Rezensentin, dass der Missstand in Afrika erschreckend ist. Ansonsten findet Mayr den Inhalt des Buches einseitig und unvollständig. "Warum westliche Gesundheitskonzepte im südlichen Afrika scheitern", lautet die Titelfrage des Buches, und die Antwort des Autors und ehemaligen Pastors Reimer Gronemeyer sei, so die Rezensentin, "dass afrikanische Liebespaare Sexualität nicht von Fruchtbarkeit und Fortpflanzung trennen wollen". Bei der Begründung lasse der Autor allerdings wichtige Gründe für Aids in Afrika unter den Tisch fallen - zum Beispiel die "horrende Zahl der Vergewaltigungen" in Afrika oder die fatale Regierungspolitik des Schweigens. Dem Anschein, westliche Gesundheitskonzepte seien in der afrikanischen Kultur an ihre Grenzen gestoßen, hält die Rezensentin die Erfolgsgeschichte von Uganda entgegen. Dort habe die Regierung das Tabu gebrochen, mit einer engagierten Aufklärungskampagne Kondome populär gemacht und habe damit als ehemaliger Spitzenreiter der Aids-Statistik die Infektionsrate deutlich gesenkt. Das Buch mache es sich zu einfach, so die Rezensentin, indem es unter dem Schlagwort der Globalisierung "die Sinnbilder der dekadenten Konsumgesellschaft" für das Aidsproblem verantwortlich mache.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.10.2002

Während sich in Afrika mit Ausbreitung von Aids eine humanitäre Katastrophe ungeahnten Ausmaßes anbahnt, kursiert hierzulande noch immer die Meinung, den sexuell unkontrollierten Afrikanern sei nicht zu helfen. Reimer Gronemeyer sieht darin die Fortschreibung alter, wirkungsmächtiger Vorurteile über Afrika und die Afrikaner, berichtet Rezensent Andreas Eckert. Jenseits dieser Vorurteile will Gronemeyer eine Antwort auf die Frage finden, warum westliche Gesundheitskonzepte in Afrika scheitern, erläutert Eckert. Dabei präsentiert der Soziologe nach Ansicht des Rezensenten "viele nachdenkenswerte Einsichten". Allerdings werde seine Analyse immer wieder durch "Essenzialismen und ahistorische Sozialromantik" getrübt. Aids in Afrika ist für Gronemeyer vor allem ein "Modernisierungs-" beziehungsweise "Globalisierungsproblem" - die westlichen Kulturen hätten durch Missionierung, Kolonialismus, Entwicklungshilfe und Ökonomisierung die afrikanische Lebenswelt zerstört und damit erst die Voraussetzung für das Übel geschaffen, das sie nun bekämpften, referiert der Rezensent. Gronemeyers Kritik an den "Gesundheitskriegern" geht Eckert dann allerdings zu weit. Zwar räumt er ein, dass Aids auch ein Milliardengeschäft sei, doch findet er Gronemeyers Darstellung des Sachverhalts zu eindimensional. Für problematisch hält er zudem dessen sozialromantische Konstruktion einer afrikanischen Alterität. "Ein aufrüttelndes und ärgerliches Buch zugleich", resümiert der Rezensent.