Ryszard Kapuscinski

Die Welt im Notizbuch

Cover: Die Welt im Notizbuch
Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2000
ISBN 9783821811857
Gebunden, 336 Seiten, 22,50 EUR

Klappentext

Aus dem Polnischen von Martin Pollack. Für Ryszard Kapuscinski sind Kontinente gleich fremd und gleich nah. Afrika, Asien, Europa, Lateinamerika - es gibt kaum eine Weltgegend, in der Ryszard Kapuscinki nicht persönlich war. Und anders als seine westlichen Kollegen trat der polnische Reporter in Drittweltländern nicht als Privilegierter auf, sondern mischte sich gewissermaßen als einer von ihnen unters Volk. Das verschaffte ihm einzigartige Möglichkeiten und einen einzigartigen Blick auf die Welt. Auch die rasanten globalen Entwicklungen nach dem Zusammenbruch des Kommunismus sieht er ganz anders als ein Westler oder einer, der seine östliche Heimat kaum verlassen hat. Aus Gedankensplittern, Reportagen, Fragmenten und Essays vieler Jahre formt sich eine Welt, die wir zu kennen meinen - die wir so aber noch nie gesehen haben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 01.03.2001

Hans-Jürgen Heinrichs stellt zwei Bücher des polnischen Reporters Ryszard Kapuscinski vor, die er mit einem liebevollen Porträt des Autors verknüpft. Kapuscinski sei ein ungewöhnlicher Reporter, schreibt er, einer, der "aus der Nähe zu anderen Menschen denken" könne. Wichtig sei ihm vor allem, das "Pulsierende" der Wirklichkeit einzufangen, weshalb seine Texte zwischen Epos, Bericht, Impression, Dialog, Essay und Roman pendelten.
1) "Die Welt im Notizbuch" (Eichborn)
In diesem Buch beobachtet Heinrichs einen neuen Schwerpunkt Kapuscinskis: hier handelt es nicht um eine Reportage im klassischen Sinn. Der Text sei eher eine Introspektion, eine Selbsterforschung und Reflexion alltäglicher Verläufe in der Fremde, erklärt der Rezensent. Besonders gefallen ihm die fantastischen Elemente in diesem Buch, die Geschichte von `Einem Tag der Welt` beispielsweise, wo deutlich werde, wie wichtig die Poesie für diesen "Autor von Reportagen, die den Tag überdauern", ist.
2) "Die Erde ist ein gewalttätiges Paradies" (Eichborn)
Dieses Buch ist eine Zusammenstellung von Reportagen, Essays und Interviews, die zum großen Teil aus früheren Büchern des Autors stammen, so Heinrichs. Durch die vorliegende Auswahl entstehe "ein Bild vom Werdegang des in einer armen polnischen Provinz geborenen und sich in andere Welten entwerfenden Mannes". Seine Affinität zum Kampf der Menschen in der Dritten Welt begründe sich durch die Kindheitserfahrung des Autors, erklärt der Rezensent. Auch Kapuscinski habe Mittellosigkeit, Hass, und Krieg erlebt, was ihn für sein weiteres Leben und Arbeiten geprägt habe.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.10.2000

Ulrich Stock knöpft sich in einer Doppelrezension seine schreibenden Kollegen mit viel Witz und ohne Gnade vor.
1) "Schreib das auf! Egon Erwin Kisch-Preis 2000"
Stock beherrscht meisterlich die Kunst, das Schlechteste auszuwählen und das Beste wegzulassen: Er zitiert ausgiebig Reportageanfänge und kann gar nicht glauben, wieviel Banalität, Großmäuligkeit, hohle Phrasen und gähnend langweilige Reportagen in die Endrunde des großen Kisch-Preises gelangt sind und somit in dieses Buch. Zugegeben, Stocks Einstieg ist auch nicht bravourös, aber der Verriss ist preiswürdig!
2) Ryszard Kapuscinski: "Die Welt im Notizbuch"
Kapuscinskis Buch enthält zwar keine einzige Reportage, meint Ulrich, aber ihre besten Ingredienzen: "Es erklärt und führt vor, was beim Schreiben zählt, als Sammelsurium aus dem Nähkästlein". Nur leider bleibt es nach Stocks Ansicht nicht dabei, Kapuscinski will auch noch die Welt erklären - und zwar mit einem Satz wie "Was die aktuellen Tendenzen der globalen Politik angeht, kann man von drei großen Konfliktlinien sprechen", wie Stock gemeiner Weise und völlig aus dem Zusammenhang gerissen zitiert. Aber nicht zu Unrecht weist der Rezensent darauf hin, dass es für solch "sterbliche Übersätze" kein Kapuscinski-Buch braucht, ein Zeit-Leitartikel tut?s auch.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.08.2000

Eijeijei! Ulrich M. Schmid, hat hier einen Verriss geschrieben, der sich gewaschen hat, und das schlimmste ist: Er hat Argumente. Schmid macht an dem Buch deutlich, dass ein berühmter Reporter - und Kapuscinski ist einer der allerberühmtesten der Gattung - keineswegs ein tiefsinniger Philosoph und Aphoristiker sein muss. "Stammtischniveau" sagt Schmid den Aphorismen des Reporters nach. Oberflächlich findet er ihn gerade dort, wo er die Oberflächlichkeit des Internets anklagt (als könnte im Internet nur gesurft, und nicht auch getaucht werden). Unbescheiden sei Kapuscinski überdies, wenn er nebenbei einfließen lasse, dass er auch in Dänemark verlegt wird. Indirekt ist dies also ein Plädoyer, doch lieber wieder auf Kapuscinskis hinreißende Reportagen über Afrika oder Russland zurückzugreifen.