Sally Rooney

Normale Menschen

Roman
Cover: Normale Menschen
Luchterhand Literaturverlag, München 2020
ISBN 9783630875422
Gebunden, 320 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Zoë Beck. Die Geschichte einer intensiven Liebe: Connell und Marianne wachsen in derselben Kleinstadt im Westen Irlands auf, aber das ist auch schon alles, was sie gemein haben. In der Schule ist Connell beliebt, der Star der Fußballmannschaft, Marianne die komische Außenseiterin. Doch als die beiden miteinander reden, geschieht etwas mit ihnen, das ihr Leben verändert. Und auch später, an der Universität in Dublin, werden sie, obwohl sie versuchen, einander fern zu bleiben, immer wieder magnetisch, unwiderstehlich voneinander angezogen. Eine Geschichte über Faszination und Freundschaft, über Sex und Macht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.09.2020

Sally Rooneys Debüt, der Millenials-Roman "Gespräche mit Freunden", war ein großer Erfolg. Soziale Unterschiede und familiäre Konflikte wurden dort allerdings eher ausgeklammert. Mit "Normale Menschen" scheint die irische Autorin diese Klammer nun füllen zu wollen, bemerkt Rezensentin Angela Schader. Dabei untermauert Rooney jedoch "solide Klischees" und Rollenmuster statt sie ironisch zu unterlaufen oder ihre Figuren dagegen revoltieren zu lassen, so die enttäuschte Kritikerin über die Geschichte von Connell und Marianne, er aus armem, aber liebevollem, sie aus reichem, aber gewalttätigen Hause. Connells Gefühle für Marianne sind ambivalent, was ihn immer wieder dazu führt, Marianne von sich zu stoßen. Und bei dieser Pendelbewegung bleibt es im Wesentlichen bis zum Ende, berichtet Schader. Statt sich gegen diese Machtverhältnis aufzulehnen, akzeptiert Marianne ihre Position, und die Rollenverteilung bleibt bestehen, was den Entwicklungsspielraum der Figuren leider stark einschränkt, kritisiert die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 15.09.2020

Sigrid Löffler erkennt in Sally Rooney eine überschätzte Autorin, in ihrem neuen Buch einen "vergessbaren" Roman. Zeigt sich Löffler zunächst durchaus interessiert an der im Text verhandelten "asymmetrischen" Liebesbeziehung zwischen zwei westirischen Teenagern und dem "doppelten Umkippen des Klassenstatus'" der beiden auf dem College, verliert sie bald die Geduld mit der Autorin, die offenbar selbst kein sehr ausdauerndes Interesse an den Themen soziale Unterscheide und Machtgefälle hat. Wenn es im Buch schließlich nur noch um unklare Gefühle und Missverständnisse im studentischen Paaralltag geht, steigt Löffler aus. Zu unglaubwürdig beziehungsweise konturlos sind die Figuren, zu wenig Finesse zeigen Sprache und Bildlichkeit des Textes, kritisiert die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 06.09.2020

Auch der zweite Roman von Sally Rooney, in dem es um die Liebe zweier College-Studenten geht, über Klassengrenzen hinweg, und ein Leben im intellektuellen Rausch, hat Rezensentin Miryam Schellbach begeistert: Die Verliebten sind über die Verhältnisse zwar vollkommen aufgeklärt, wie sie mit hochgeistigen Dialogen auch immer wieder kundtun, dem Aufeinanderprallen ihrer beiden Welten aber dennoch schonungslos ausgeliefert, erzählt die amüsierte Kritikerin. Für sie gelingt es Rooney in Perfektion, Literatur zu schreiben, die den Nerv der Zeit trifft: "Serialität, Dialogbasiertheit, ein ironischer Aufruf von Bekanntem" und schematische Figuren sorgen für eine leichte Lektüre, die dennoch insgeheim eine solche zeitdiagnostische Schärfe transportiert, dass sie im Gedächtnis bleibt, lobt Schellbach.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 25.08.2020

Peter Praschl fasst sich an den Kopf, wenn er die Elogen auf Sally Rooneys Roman "Normale Menschen" liest. Trotz aller Diskussionen um Identität und Oralsex kann ihn die Geschichte von der jungen Frau aus gutem Hause und dem Sohn der Putzfrau nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um ziemlich konventionellen "Liebeskitsch" handelt: Missverständnisse, scheue Blicke, "puckernde Herzen" und Frauen, deren Seele nur beim Sex mit dem wahrhaft geliebten Menschen erschüttert wird. Das soll das Liebeslieben der Millennials sein? Von einer Autorin, die sich selbst als Marxistin ausgibt? Praschl findet es viktorianisch. 

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 25.08.2020

Yannik Han Biao Federer hat ein masochistisches Vergnügen an Sally Rooneys Roman über zwei ungleiche Liebende. Wie die Autorin Hierarchien, soziale und ökonomische Verhältnisse an der Schule und auf dem College beschreibt und immer wieder durch Wendungen und Kippmomente perspektivisch verändert, so dass schließlich sogar Missbrauch, familiäre Gewalt und eine masochistische Tendenz bei einer der Hauptfiguren sichtbar werden, findet der Rezensent so verstörend wie gekonnt gemacht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.08.2020

Jan Wiele ist auf ganzer Linie enttäuscht von Sally Rooneys Roman über zwei Millennials auf Liebes- und Sinnsuche. Schnarchlangweilig findet er die konventionelle Fabel, die Rooney mit Themen wie Mobbing, familiäre Gewalt und Depression aufpeppt. Über das Außenseiterdasein haben Dickens und Salinger besser geschrieben, findet der Rezensent. Sprachlich, metaphorisch lockt ihn der Text auch nicht hinterm Ofen hervor. Manchmal geht ihm die tiefgründig tuende Kitschigkeit regelrecht auf die Nerven.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.08.2020

Rezensentin Judith von Sternburg weiß, wie angesagt Sally Rooney ist, sie selbst allerdings erkennt im neuen Roman "Normale Menschen" die Grenzen dieses Schreibens. Wie eine Serie klinke sich "Normale Menschen" in die wechselhafte Geschichte von Connell und Marianne, die von der irischen Westküste aus nach Dublin zum Studieren gehen. Rooney kann tolle Dialoge schreiben, räumt Sternburg ein. Ihr gefällt auch, wie die irische Autorin soziale Schranken und Unfreiheiten zum Thema macht. Aber den Wert, den Rooney auf die alte Teenager-Frage legt, wer wie beliebt ist, erscheint der Rezensentin doch reichlich naiv. Am Ende sieht sie die Liebesgeschichte von Connell und Marianne deutlich näher an der Telenovela als an Jane Austens "Stolz und Vorurteil".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.08.2020

Rezensentin Eva Tepest weiß, dass sich Sally Rooney perfekt als Millennial-Autorin vermarkten lässt. Ihre Romane strotzen vor schweren Themen wie Essstörungen, Gewalt und Depression, ohne dass sie je an Leichthändigkeit einbüßten. In "Normale Menschen" erzählt die irische Schriftstellerin von Connell und Marianne, deren Beziehung durch beiderseitige "Klassenscham" unmöglich gemacht wird. Die Übersetzung findet Tepest nicht immer überzeugend und viel zu deutsch: Undenkbar, dass Millennials keine englische Begriffe verwenden! Aber am Ende stört die Rezensentin etwas anderen: Warum fragt sie sich, lässt Rooney, die bekennende Marxistin, ihre Figuren über soziale Probleme immer nur reden: Wo ist die Wut? Warum handeln sie nicht? Immerhin erfasse Rooney genau den Moment, "in dem eine Generation die Luft anhält".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.08.2020

Gustav Seibt erkennt das Geheimnis des Erfolgs von Sally Rooneys Roman in seiner Unverbindlichkeit. Dass alles offen bleibt, und die Figuren keine Psychologie erhalten, erklärt er sich auch damit, dass sie gar nicht wissen, "wie ihnen geschieht", wenn sie sich verlieben etwa, fühlen, denken. Andererseits, erklärt Seibt, schafft die Autorin auch so etwas wie einen klassischen englischen Roman des 19. Jahrhunderts, wenn sie Klassenlagen und Gefühl und Vorurteil im Widerstreit zeigt. Vor allem behandelt der Roman eine Beziehungsgeschichte, meint Seibt, und zwar als dauerkommunikativen Akt. Auch wenn das Buch die perfekte Vorlage für eine Verfilmung abgibt, auch wenn es auf die Poetisierung des Alltags verzichtet und in der nüchternen Abbildung von Minimaltätigkeiten Langeweile erzeugt, so bleibt es doch lesenswert, findet Seibt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.08.2020

Rezensent Ijoma Mangold bewundert Sally Rooney für ihre sprachlichen Bilder und ihre Fähigkeit, die Bedingungen der Liebe, um die es im Buch geht, nicht zu hierarchisieren oder in einem Happy End glattzustreichen. Dementsprechend dürfen die Figuren im Text laut Mangold "subtil und ambivalent" sein und Formen der Macht und der Scham zeigen. Dass es also keine Wahrheiten gibt bei Rooney, kann er verkraften. Dafür kommen Einsamkeit, Bedürftigkeit und Grausamkeit als wichtige Motive vor, und enorm unterhaltsam ist es sowieso, verspricht Mangold.