Sandor Marai

Die Glut

Roman
Cover: Die Glut
Piper Verlag, München 1999
ISBN 9783492061629
Gebunden, 224 Seiten, 18,41 EUR

Klappentext

Ein ungarisches Jagdschloß, dessen hell erleuchtete Säle einst prachtvoller Rahmen für festliche Soireen waren. Einen Tag und eine Nacht dauert das Treffen zweier Jugendfreunde, die sich 41 Jahre nach ihrer überstürzten Trennung wiedersehen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.03.2000

Karl-Markus Gauss bespricht das Buch in einem ausführlichen Artikel über den "habsburgischen Mythos" zusammen mit mit Gyula Krudys "Meinerzeit" (dtv) und "Die rote Postkutsche" (Suhrkamp) und Dezsö Kosztolanyis "Anna Edes" (Aufbau-Taschenbuch-Verlag).
1) Sandor Marai: "Die Glut"
Mit Erstaunen berichtet Gauss über den Erfolg dieses Romans um zwei alte Männer, die sich nach 40 Jahren wiedersehen, beim deutschen Publikum, es sei aber auch ein "perfekt gebauter Text", selbst wenn Gauss die Art und Weise, wie Marai mit Versatzstücken aus dem habsburgischen Mythos spiele, ein wenig wie historische Kulissenschieberei vorkommt. Aus allen Fugen riesele "der Staub Altösterreichs", meint Gauss und wundert sich, dass man den alten Kaiser "noch immer so bar jedweder Ironie auftreten lassen kann".
2) Gyula Krudy: "Meinerzeit"
Die Erinnerung an den "guten Kaiser" Franz Joseph aber auch an die von diesem Kaiser blutig niedergeschlagene ungarische Revolution von 1848 lasse Krudy hier in einem komplexen psycholgischen Spiel "zum Bild einer Vergangenheit ineinsfallen", schreibt Gauss. Er weist darauf hin, dass es sich um eines des letzten Bücher Krudys handelt und dass es an einem einzigen Tag in einem Wirtshaus spielt. Christine Viraghs Übersetzung nennt Gauss "fulminant".
3) Gyula Krudy: "Die rote Postkutsche"
Gauss schimpft hier zunächst über den Suhrkamp-Verlag, der vergessen habe, darauf hinzuweisen, dass sich hinter diesem Buchdeckel nicht ein, sondern zwei Romane verstecken, denn auf Seite 179 beginnt "Die herbstliche Reise in der roten Postkutsche", auf den weder Titelblatt noch Impressum des Bandes hinweisen. Der eine Roman sei 1913, der andere 1917 geschrieben, im Band selbst werde nur auf den von 1913 verwiesen, das gleich gelte für das "instruktive Nachwort", das nur über den ersten Roman spreche. Früher, so Gauss, wussten "die Verlage noch, welche Bücher sie selbst veröffentlichten". In beiden Romanen spielt ein Graf Avinczi, eine Art Doppelgänger des Kaisers Franz Joseph, die Hauptrolle. Aber so wie der Kaiser in den Kaiserlogen der K.u.K.-Theater sei auch Alvinczi in seiner roten Postkutsche mehr abwesend als anwesend. Besonders die "Herbstliche Reise" schildert Gauss als einen "munter bewegten Roman", in dem "jede Menge von Wiedergängern historischer Figuren, zumal habsburgischer Abstammung" herumgeistern.
4) Dezsö Kosztolanyi: "Anna Edes"
Dieses Buch erwähnt Gauss nur en passant als "kantigen Dienstbotenroman" von 1920 und weist vielmehr auf Kosztolanyis Lyrik hin, die sich anders als seine zeitkritischen Romane melancholisch mit dem alten Kaiser befasse.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.10.1999

Hermann Wallmann feiert "Die Glut" von Sándor Márai als großartige Wiederentdeckung. "Kompetent übersetzt", ist ihm die Neuauflage des Romans eine "literarische Sensation", vergleichbar den Erzählungen von Joseph Roth und Vladimir Nabokov - oder der Polonaise-fantaisie von Chopin. Wallmann ist von der "kammerspielartigen Atmosphäre" des Buches offensichtlich in den Bann gezogen, von diesem "betörenden Psychogramm" der Leidenschaft und Sehnsucht, von den "Kräften, die verrücken und sprengen, was menschliche Ordnung so sorglich verborgen hält". Wallmann will tatsächlich, dass dieses Buch gelesen wird. Allerdings fällt es manchmal etwas schwer, sich von Wallmanns Begeisterung mitreißen zu lassen, etwa wenn er von der "kontrollierten Unmerklichkeit" schwärmt, "mit der Márai seine Souveränität an eine seiner Figuren abgibt".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.10.1999

Hans-Peter Kunisch hat hier in erster Linie ein Porträt des Dichters Sándors Márai verfasst, in dem er nur kurz auf dessen Roman "Glut" eingeht, der jetzt erstmals auf deutsch erschienen ist. Dabei fällt sein Urteil zwiespältig aus: Verglichen mit Márais "Doch blieb er ein Fremder" findet er den vorliegenden Roman weniger aufregend und merkt an, dass Márai genau wie Joseph Roth in seinen späteren Werken zunehmend banalere Züge zeigt. Márai sei dies übrigens bewusst gewesen. Dies vorausgeschickt, findet Kunisch "Die Glut" durchaus spannend. Er lobt den dramaturgischen Aufbau, den Stil, die Anspielungen und Márais handwerkliches Können.
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