Sofja Tolstaja

Eine Frage der Schuld

Roman
Cover: Eine Frage der Schuld
Manesse Verlag, München 2008
ISBN 9783717521501
Gebunden, 315 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Alfred Frank und Ursula Keller. Mit der "Kurzen Autobiografie der Gräfin S. A. Tolstaja". Mit einem Nachwort von Ursula Keller. Dass hochbegabte Frauen im Schatten hochbegabter Männer stehen, ist nichts Außergewöhnliches. Dem Angebeteten zuliebe leisten sie Verzicht, werden im besten Fall zu Musen, im schlechtesten zu Haushälterinnen. Dies ist auch das persönliche Schicksal der Sofja Tolstaja (1844-1919), nachzulesen in ihrer "Kleinen Autobiografie". Über Jahrzehnte war sie ihrem Mann, dem berühmten Tolstoi, treue Gefährtin, verständige Erstleserin und Kritikerin seiner Werke, Schreibkraft, "Ehefrau im althergebrachten Sinne" (nach Tolstois eigenem Bekunden) und nicht zuletzt Mutter von dreizehn gemeinsamen Kindern. Niemand konnte ahnen, dass sich hinter der Frau an Tolstois Seite eine exzellente Schriftstellerin verbarg, hatte sie doch ihre erste Erzählung vor der Hochzeit verbrannt. Fünfundsiebzig Jahre nach Tolstajas Tod aber machte man in ihrem Nachlass einen Sensationsfund. "Eine Frage der Schuld" handelt von der fatalen Entfremdung zwischen Eheleuten. Mit psychologischer und stilistischer Finesse schildert die Autorin, wie bohrende Eifersucht erst das Vertrauen zerstört und dann die beidseitige Achtung. Im Gegensatz zur frauen- und lustfeindlichen "Kreutzersonate" Tolstois, als dessen Gegenstück Tolstajas kleiner feiner Roman angelegt ist, erfahren hier beide Seiten Gerechtigkeit.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.05.2009

Von biografischem, nicht so sehr von literarischem Interesse ist aus Sicht der Rezensentin Olga Martynowa diese Antwort in Romanform von Sofia Tolstoja auf die "Kreuzersonate" ihres Mannes Leo Tolstoi. Martynowa erkennt dessen Stil auch im Stil der Autorin, wenngleich er aus ihrer Sicht bei der Tolstoja etwas blumiger und weniger überzeugungskräftig ausfällt. Die Tagebücher der Tolstoja seien in jeder Hinsicht die lohnendere Lektüre. Dennoch findet es die Rezensentin offensichtlich reizvoll, Szenen, die in beiden Werken vorkommen, einmal aus ihrer und auch aus seiner Sicht beschrieben, einander gegenüberzustellen. Dabei kommt es doch zu gelegentlicher Bestürzung über die Radikalität, mit der das Paar sowohl im Leben als auch in der Literatur zusammenprallte. Auch deshalb staunt die Rezensentin, dass dieser Roman von 1893 erst jetzt ins Deutsche übertragen wurde.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.02.2009

Dass dieses Buch über hundert Jahre nach seiner Niederschrift nun erstmals auf Deutsch erscheint, ist für Renate Wiggershaus eine kleine Sensation. Sofja Tolstajas literarische Erwiderung auf die "Kreutzersonate" ihre Mannes Leo Tolstoi liest sie als subtil ironisch gefärbtes Zeugnis einer tiefen Verletzung und der vielfältigen Schwierigkeiten junger, nach Eigenständigkeit strebender Frauen im ausgehenden 19. Jahrhundert. Dabei ist es gerade die plakative Figurenzeichnung in der tragischen Geschichte der jungen Anna, die Gegenüberstellung von edlen, reinen beziehungsweise  tyrannischen Charakteren, die dem Roman neben der über allem schwebenden Frage nach der Schuld allgemeine Gültigkeit verleiht und das Buch für Wiggershaus zu einem "bewegenden Dokument" macht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.02.2009

Als "funkelndes Werk" feiert Rezensent Ulrich M. Schmid diesen im Original erst 1994 erschienen Roman von Lew Tolstojs Frau Sofia, bei dem es sich seinen Informationen zufolge um eine "direkte literarische Antwort" auf Tolstojs bald verbotene Skandalerzählung "Die Kreutzersonate" von 1890 handelt, die Sofia Tolstoja als Angriff auf ihre eigene Ehe empfand. Für Schmidt erweist sich Tolstoja in ihrem Gegentext "als glänzende Autorin", die mit "scharfem Blick und stilsicherer Feder" eine Ehekrise analysiert, schreibt der Rezensent. Gerade der Vergleich mit der "Kreutzersonate" macht für Schmidt den Abgrund spürbar, der "die beiden schreibenden Eheleute" voneinander trennte.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.01.2009

Eine sonderlich glückliche Ehe haben die Tolstojs wohl nicht geführt. Nicht nur, weil der greise Autor seine Frau nach fünfzig Ehejahren sitzen ließ, um für den Rest seiner Tage Ruhe zu haben. Auch dieser aus dem Nachlass der Ehefrau - und dreizehnfachen Mutter - veröffentlichte Roman erweist sich als recht autobiografisch inspirierte Darstellung einer Beziehung zweier Menschen, die eigentlich "nicht zusammengehören". Sie - im Roman heißt sie Anna Alexandrowna - hat eine "reine Seele", er will aber vor allem ihren Körper. Ihm ist langweilig und als sie in der Moskauer Gesellschaft Erfolge feiert, weckt das nur seine "Eifersucht". Die Heilige, als die sie sich hier mehr oder weniger zeichnet, wird - mutmaßt die Rezensentin Felicitas von Lovenberg - Sofja Tolstoja schon auch nicht gewesen sein. Ihrer Sympathie ist sie aber in jedem Fall gewiss. Und auch für die literarischen Meriten des Buches, das sie als "packend, geradlinig" lobt, hat sie nur freundliche Worte übrig.
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