Holger Kuße

Tolstoi und die Sprache der Weisheit

Cover: Tolstoi und die Sprache der Weisheit
Vandenhoeck und Ruprecht Verlag, Göttingen 2010
ISBN 9783525560044
Gebunden, 160 Seiten, 29,95 EUR

Klappentext

In seinen letzten Lebensjahren verfasste Lev Tolstoj eine Reihe von Aphorismen- und Gedankensammlungen, in denen sich sein religiös-moralisches Denken zur Sprache der Weisheit entwickelte. Ihr Höhepunkt ist die im Todesjahr des Dichters, 1910, entstandene Sammlung "Der Weg des Lebens". Die Sprache der Weisheit bildet eine eigenständige Welt im Werk Tolstojs, ist aber aus der mystischen Spiritualität und den expressionistischen Gegensätzen hervorgegangen, in denen sich sein Denken in umfangreichen moralischen, kirchen- und institutionenkritischen Traktaten seit den siebziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts entwickelt hatte. Zu den Gegensätzen gehören Wahrheit und Täuschung, Gott und Mensch, Geist und Fleisch, Mann und Frau, Tod und Leben. Als Moralist prangerte Tolstoj in langen Traktaten die Übel der Welt und der menschlichen Gesellschaft an. Als Mystiker sprach er vom Licht Gottes, das in jedem Menschen leuchten will. Beides zusammen macht ihn zu einem aktuellen provokanten Denker auch für unsere Gegenwart. Und beides trifft in der Sprache der Weisheit zusammen, in der sich die geschlossene Form des Traktats auflöst in die offene Sammlung einzelner Gedanken. Ihre Lektüre ist eine Meditationspraxis und Suche nach der richtigen Lebensregel für jeden Lebensmoment.
Holger Kuße stellt im ersten Teil in vier Kapiteln Tolstojs Denken in Gegensätzen, die Sprache seiner rigoristischen Moral und die Sprache seiner weisheitlichen Sammlungen vor. Die Darstellung ist nicht nur den Inhalten des Tolstojschen Denkens, sondern vor allem auch ihren Ausdrucksformen gewidmet. Der zweite Teil enthält eine Auswahl von Gedanken aus Tolstojs "Der Weg des Lebens" von 1910.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.04.2011

Dass Leo Tolstois Werke eher auf ihre weltanschaulichen als auf ihre literarischen Qualitäten hin gelesen werden, sieht Felix Philipp Ingold in seiner kenntnisreichen Rezension zu gleich drei deutschen Neuerscheinungen aus dem Jahre 2010 über den russischen Autor bestätigt, auch wenn er selbst es mit Nabokov zu halten scheint, der den Romancier Tolstoi liebte und wünschte, dass dem Prediger Tolstoi die Seifenkiste unter den Sandalen weggekickt werden möge. Auch Holger Kuße setzt sich in seinem Sammelband "Tolstoi und die Sprache der Weisheit" vorwiegend mit Tolstois unterschiedlichen Thesen zu Pazifismus, Anarchismus, sexueller Enthaltsamkeit, Naturschutz, Vegetariertum, Kapitalismus und Bürokratie, und nicht so sehr mit seiner Romankunst auseinander, so Ingold. Zwar schätze auch Kuße nicht so sehr den "Prediger", aber einen "Weisheitslehrer" wolle auch er in ihm entdecken, einen der Gegensätze nicht überbrücken wolle, sondern ihre Komplementarität suche. Ingold scheint skeptisch.
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