Stephan Lessenich

Nicht mehr normal

Gesellschaft am Rande des Nervenzusammenbruchs
Cover: Nicht mehr normal
Hanser Berlin, Berlin 2022
ISBN 9783446273832
Gebunden, 160 Seiten, 23,00 EUR

Klappentext

Wie geht eine Gesellschaft damit um, dass nichts mehr normal ist? Der Soziologe Stephan Lessenich zeigt, wie die Überwindung einer überholten Normalität gelingen kann. Die Welt befindet sich im permanenten Ausnahmezustand. Nach der Finanzkrise, der Migrationskrise, der Klimakrise hat die Coronakrise den Alltag jedes Einzelnen erfasst. Und dann gibt es auch noch Krieg in Europa. Es wird immer deutlicher, dass die bewährte Normalität, nach der wir uns sehnen, nicht mehr zurückkehren wird. Stattdessen herrscht allgemeine Verunsicherung. Mit klarem Blick analysiert Stephan Lessenich die Reaktion unserer Gesellschaft auf ihre Krisen und denkt über die Fragen nach, die uns alle umtreiben. Wenn die alte Normalität nicht mehr trägt und auch nicht mehr zu ertragen ist: Was tritt dann an ihre Stelle? Und welche Dynamiken setzen ein, wenn gesellschaftliche Mehrheiten sich an Gewissheiten klammern, die immer drängender in Frage gestellt werden?

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.10.2022

Rezensent Günther Nonnenmacher als skeptischer Leser lässt sich nicht überzeugen von Stephan Lessenichs Zeitdiagnose. Was der Soziologe zur Frage, inwiefern und warum unsere Gesellschaft in der Krise aus dem Lot kommt, zu sagen hat, scheint Nonnenmacher weder überraschend noch methodisch besonders raffiniert. Lessenichs Operieren mit dem Begriff der Normalität findet Nonnenmacher nicht besonders zielführend. Wenn der Autor unser Wirtschaftssystem am Abgrund stehen sieht, fallen ihm nur bekannte Ursachen ein (der Neoliberalismus etwa), beklagt der Rezensent. Lösungen hat Lessenich auch nicht zu bieten, nur ein paar Utopien, kritisiert Nonnenmacher.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.10.2022

Gespannt folgt Rezensentin Ulrike Winkelmann den Beobachtungen des Soziologen Stephan Lessenich, was Normalität, Norm und Normativität in unserer Gesellschaft betrifft. Etwas ist in Brüche gegangen und könnte gesellschaftlich noch erhebliche Folgen nach sich ziehen - diesen diffusen Eindruck seit Beginn der Coronapandemie, die nahtlos in den Ukrainefeldzug Russlands mündete, unterfüttert und bestätigt der in Frankfurt lehrende Soziologe durchaus plausibel, findet die Kritikerin. Lessenich argumentiert, dass die Politik zumal seit der Finanzkrise 2008 zusehends ratlos vor den Krisen steht und weniger Lösungen, sondern vielmehr den Zeitaufschub sucht. Winkelmanns Lektürefazit fällt daher nüchtern bis pessimistisch aus: Von der Normalität, die bis Ende 2019 noch galt, heißt es wohl endgültig Abschied zu nehmen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 26.09.2022

Zunächst folgt Rezensent Jens Balzer noch dem Frankfurter Soziologen Stephan Lessenich, wenn dieser angesichts unaufhörlicher Krisen eine zunehmende Sehnsucht nach der verlorenen Normalität diagnostiziert. Und auch wenn ihm Lessenich erklärt, dass diese Normalität für immer verloren sei, weil die Grundlagen des westlichen Wohlstandsmodells - die Ausbeutung des Südens und der Natur - nicht mehr so einfach zu haben seien, ist Balzer mehr oder weniger einverstanden. Aber dann bemerkt der Rezensent doch auch die Gereiztheit des Autors und einen geradezu pamphlethaften Ton. Nein, widerspricht Balzer dann, die Pandemie war nicht das Ergebnis spießieger Selbstverkennung, und die "Dämonisierung Putins" soll auch nicht den eigenen Ressourcenhunger kaschieren. Dass Lessenich die Gefährdung der Demokratie durch Autokraten ebenso wenig für ein Problem hält wie den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine kann Balzer kaum glauben.