Stewart O'Nan

Abschied von Chautauqua

Roman
Cover: Abschied von Chautauqua
Rowohlt Verlag, Reinbek 2005
ISBN 9783498050344
Gebunden, 700 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Thomas Gunkel. Emily Maxwells Mann ist gestorben. Nun soll das Sommerhaus am Lake Chautauqua im Staat New York verkauft werden. Ein letztes Mal trifft die ganze Familie dort zusammen - eine alte Tradition. Eine Woche Ruhe will man, aber die Harmonie ist brüchig, mit Emilys Tochter Meg, der Alkoholikerin, deren Bruder Ken, der beruflich vor dem Absturz steht, seinem schwierigen Sohn Sam und seiner Tochter Ella, die sich unversehens in ihre Kusine verliebt. Nicht zu vergessen: Rufus, der Hund, der seine ganz eigenen Sorgen hat.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 28.07.2005

Christoph Schröder ist ausgesprochen zufrieden mit Stewart O'Nans Familienroman "Abschied von Chautauqua". Als "klassisch" kategorisiert er das Werk und nennt es "raffiniert erzählt"; dem Autor attestiert er "Charme" und "Intelligenz". Diese Drei-Generationen-Saga kommt weitestgehend ohne äußere Handlung aus (durch den Roman ziehen sich zwar Hinweise darauf, dass in einem Dorf in der Nähe ein Mädchen verschwunden sei, doch bleibt dies ohne Einfluss auf die Romangeschehnisse). Sie entfaltet in inneren Monologen und genauen Psychogrammen die Binnenökonomie einer amerikanischen Mittelstandsfamilie. Die Wirkung des Romans bezeichnet der Rezensent als "rührend". Aus jeweils wechselnden Perspektiven wird die unspektakuläre Geschichte - eine Familie kommt noch einmal im alten Ferienhaus zusammen, bevor es verkauft werden muss - erzählt, und so taucht der Leser, schreibt Schröder, ein in "ein Gewirr von Ab- und Zuneigungen, Empfindlichkeiten, Ängsten". Durch diese polyperspektivische Erzählmethode weiß der Leser stets mehr als das Personal des Romans. Stewart O'Nan, stellt der Rezensent fest, ohne daraus weitergehende Schlüsse zu ziehen, zeichnet das Ende einer Ära nach.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.06.2005

Stewart O'Nan hat mit "Abschied von Chautauqua" gute Arbeit geleistet, so Thomas Medicus. "Eigenwillig kontemplativ", dabei "nie langatmig" sei dieser Familienroman, der keine Familiensaga darstellt, sondern die minutiöse Seelenkartografie einer amerikanischen Familie, eine Arbeit von "stupender Präzision". Gezeigt wird, was eine familiäre Welt im Innersten zusammenhält - und das ist vor allem das titelgebende Sommerhaus, die Erinnerung an gemeinsam verbrachte Ferientage. In Dialogen und inneren Monologen offenbart sich der alltägliche Horror einer Reihe von Durchschnittsleben, allgegenwärtig sind Versagen und Schuld. So gut sich Thomas Medicus vom Autor bedient fühlt, so schlecht behandelt ihn seinem Empfinden nach der Übersetzer. Der gehe mit der Sprache nicht nur reichlich wortgetreu-robust um, sondern produziere stellenweise blanken Nonsens, etwa, wenn er aus einer Raucherecke einen Schornstein macht. Doch versteht der Rezensent auch diesen Mangel noch zu Gunsten O'Nans zu wenden: "Erstaunlich widerstandsfähig" sei dessen Werk "gegenüber solchen Verdunkelungen".
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.04.2005

Großes Lob spendet die Rezensentin Marion Lühe dieser Geschichte um den letzten Familienurlaub der Maxwells in deren zu verkaufenden Sommerhaus. Es sei beeindruckend, mit welchem "psychologischem Gespür" und mit welcher "Detailversessenheit" Stewart O'Nan seine Leser in die unter der Oberfläche schwelenden Feuer der "Familienhölle" der Maxwells eintauchen lasse. Denn in der "erzwungenen Intimität des Sommerhauses" fühle sich keines der Familienmitglieder wohl, wie der Leser aus den vielfachen Perspektivwechseln erfahre: Alle flüchten, wo sie nur können, selbst vor oberflächlichen Gesprächen, da selbst hier die über Jahrzehnte angestauten Spannungen jeden Augenblick hervorbrechen können. Meisterhaft inszeniere der Autor die Ahnung einer bevorstehenden Katastrophe. Das Gewitter, so die Rezensentin, entlädt sich schließlich auf skurrile Weise, nämlich in der Ermordung einer Fliege, die so genau beschrieben wird, dass die Szene zur grausamsten des Romans gerät. Die eigentliche Katastrophe innerhalb der Familie erzähle O'Nan eher nebenbei, genau wie es die familiäre Verdrängungslogik der Maxwells erfordere.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.03.2005

Als ein "Meister zelebrierter Langsamkeit" erweist sich Stewart O'Nan mit dem Roman "Abschied von Chautauqua", meint der begeisterte Rezensent Jürgen Brocan. Denn O'Nans Geschichte um den letzten, melancholischen Familienurlaub der Familie Maxwell im demnächst zum Verkauf stehenden Sommerhaus gelingt es einmal mehr, den Leser mit seinen Konstellationen von "Konflikten, Rivalitäten, Enttäuschungen und unbewältigten Frustrationen" zu bannen. Die Familienmitglieder, so der Rezensent, geraten dabei in die missliche Lage, sich nicht dem alltäglichen Vergessen von Problemen hingeben zu können, sich aber auch nicht von Grund auf mit eben diesen Problemen auseinandersetzen zu wollen. Besonders beeindruckend findet der Rezensent dabei, wie der Autor die Versuche seiner Figuren wiedergibt, "ihre jeweilige Position durch behutsames Justieren von Nähe und Ferne zu bestimmen". Und nicht zuletzt ist es O'Nans - in der deutschen Übersetzung leider etwas "schief" ankommende - "präzise Umgangssprache", mit der er "lückenlos einen Alltag der amerikanischen Mittelklasse, eingeschlossen Trivialitäten und Sentimentalitäten" erfasst, die den Rezensenten für dieses Buch des "literarischen Magiers" O'Nan eingenommen hat.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.03.2005

Im bisherigen Werk von Stewart O'Nan bildet dieser Familienroman eine ruhende Ausnahme, meint Klaus Nüchtern. O'Nan, der Nüchtern als "Stephen King der Hochliteratur" bekannt ist, erzählt in seinem bislang "unblutigsten" Stück mit der niedrigsten "APPR (action per page rate)", wie Emily ein letztes Mal von ihrer Familie auf ihrem Landhaus, das verkauft werden soll, besucht wird. In einem Tempo, dass der Rezensent als "viskos" bezeichnet, schildert O'Nan aus jeweils wechselnden Perspektiven aller Familienmitglieder deren Gedanken und Erlebnisse. Ergänzt durch "subtile Verschiebungen, Wiederholungen und Ergänzungen" wird eine "unaufdringliche Anteilnahme" möglich, die auch Platz für ein Paar "wunderbare Binnendramen" lässt. In der Reihe der amerikanischen Familienromanciers ordnet der Rezensent O'Nan der Gruppe der "einfühlsamen Naturalisten" zu. Die Ruhe sollte aber nicht mit Langeweile verwechselt werden. "Wer emotional noch nicht völlig verkarstet ist", meint Nüchtern, wird sich unweigerlich in "dieses komplexe Kokon" Familie miteinspinnen lassen.