Jonathan Franzen

Die Korrekturen

Roman
Cover: Die Korrekturen
Rowohlt Verlag, Reinbek 2002
ISBN 9783498020866
Gebunden, 736 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Bettina Abarbanell. Nach fast fünfzig Jahren als Ehefrau und Mutter ist Enid Lambert entschlossen, ihr Leben ein wenig zu genießen. Alles könnte so angenehm sein, gemütlich, harmonisch - einfach schön. Doch die Parkinsonsche Krankheit hat ihren Mann Alfred immer fester im Griff, und die drei Kinder haben das traute Familienheim längst verlassen - um ihre eigenen tragikomischen Malaisen zu durchleben. In dem Wunsch, es sich noch einmal so richtig gutgehen zu lassen, verfolgt Enid hartnäckig nur ein Ziel: Sie möchte die ganze Familie zu einem letzten Weihnachtsfest um sich scharen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.06.2002

Die Kritik ist lang, aber das Buch ist es auch und nicht wenig davon schickt Martin Krumbholz sich an nachzuerzählen. Das Personal ist überschauber, Vater Alfred - mit Alzheimer -, Mutter Enid - die die Kinder noch einmal zu Hause versammelt -, Sohn Chip - der Versager mit literarischen Ambitionen -, Tochter Denise - die Ex-Küchenchefin - und Sohn Gary - der Erfolgreiche, mit Frau und Kind: ein Familienroman. Erzählt werden "fünf Lebensgeschichten", zusammengehalten vom "Mythos" Familie, von den "Verstrickungen", aus denen deren Mitglieder nicht entkommen, zusammengefügt ist das ganze, meint der Rezensent, mit Eleganz. Kaum etwas scheint ihm überflüssig, Jonathan Franzen schreibe mit "Witz", aber ohne alle Angeberei (manchmal auch "direkt" und "bissig"), sei einem "aufgeklärten Realismus" verpflichtet, erlaube sich jedoch den einen oder anderen lässig postmodernen Schlenker. Am Individuellen sichtbar werden, so Krumbholz, Wahrheiten über Abhängigkeiten, die man nicht los wird, über Korrekturen, die nicht gelingen können. Mit einem Wort: ein überaus gelungener Roman.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 28.06.2002

Dirk Knipphals ist begeistert von Jonathan Franzens Roman "Die Korrekturen". Zunächst einmal sieht Knipphals darin einen Familienroman, wobei es sich freilich um das "denkbar familienfeindlichste Buch" überhaupt handelt, wie er hinzufügt, um gleich darauf zu ergänzen, dass es in diesem Subgenre zugleich das "liebevollste" Buch ist. Franzen folge dem "hippiesk anmutenden Grundsatz, dass noch das normalste Leben interessant ist, wenn man es nur gekonnt genug ausleuchtet". Das Normale zeige Franzen dabei allerdings als permanenten Ausnahmezustand und Gefühlsnotstand. Neben den mit "großer Unerschrockenheit und noch größerem Witz" geschilderten familiären Irrungen und Wirrungen, so Knipphals, rollt Franzen auch ein Panorama der neunziger Jahre vor den Augen des Lesers aus: ein "wahres Archiv" für Mode-, Ess-, Sex- und Erziehungsstile in dieser Zeit! Im Zentrum des Romans stehen für Knipphals jedoch "unangefochten" die menschlichen Beziehungen, die Franzen - so mürbe und widersprüchlich, so gefährdet und kompliziert sie auch erscheinen mögen - wie "große Kostbarkeiten behandelt, die es bis ins Letzte zu studieren gilt".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.06.2002

Eine "Art Inbild der amerikanischen Gegenwartsgesellschaft" sieht Angela Schader in diesem Roman. Ein Inbild nicht ohne den "ambitiösen Blick auf große Vorbilder" wie Philipp Roth und auch nicht ohne Längen (Episoden wie die "aufgewärmte Lewinsky-Affäre" etwa), Ausrutscher und "thematische Sackgassen". Was, wenn es nach Schader geht, der "variantenreichen" (treffsicher übersetzten, wie Schader anmerkt) Prosa, der "stellenweise zutiefst verstörenden menschlichen Tiefe" des Buches sowie der Meisterschaft in der Schilderung der Altersqualen keinen Abbruch tut. Allein die lange und detailreiche Schilderung der familiären Grabenkämpfe, meint die Rezensentin, könnte "ein eigentliches Handbuch der ehelichen Kriegsführung" abgeben.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 27.06.2002

Ist er wirklich so toll? fragt Ulrich Greiner in seiner Besprechung von Franzens fast schon legendärem Familienroman aus dem Mittleren Westen der USA und sagt's rundheraus: Gut ist er schon, aber "so toll auch wieder nicht". Wie einer "jener Hollywood-Filme, die man von Zeit zu Zeit ganz gern sieht", kommt es ihm vor, das Buch. Spannung: ja, Lebensnähe: ja, Weisheit und Witz: auch, eine insgesamt "hohe Professionalität" eben und dennoch: etwas fehlt, etwas ist zu viel. Zu viel, so Greiner, sei "die sprachliche Möblierung der Szenerie mit kostbaren Metaphern und sprechenden Bildern", ein Verdeutlichungszwang, der dem Leser nichts zu entdecken übrig lässt. Mangel dagegen herrscht laut Greiner in puncto Menschenliebe, wie wir sie von Updike kennen, und Mangel herrscht in puncto Transzendenz und Verzweiflung über menschliche Niedertracht, wie wir sie von Philip Roth kennen. Dass er damit die Messlatte ganz schön hoch hängt, weiß Greiner auch, und so lobt er Franzens Schilderung des "unerbittlichen Zugriffs von Alter und Krankheit" im Himmel-Hölle-Reich einer amerikanischen Familie denn auch als derart eindringlich, "dass es uns wirklich nahe geht", und attestiert dem Autor "überdurchschnittliches Sprachvermögen", analytischen Scharfblick und Sarkasmus - diese "eher europäische Tugend".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.06.2002

Zum Weihnachtsfest möchte Mutter Enid noch einmal die ganze Familie Lambert im amerikanischen mittleren Westen zusammenbringen, die drei Kinder mit Anhang, die längst davon sind, an die Ostküste. Das Fest findet statt und es misslingt, alles nicht sehr spektakulär. Die Stärken des Romans von Jonathan Franzen aber, so Thomas Steinfeld, liegen nicht im eher simplen Plotmotiv, sondern im Detail: in der "Anmut" , mit der der Autor die verkorksten Leben seiner Figuren schildert, im "absoluten Gehör", mit dem er die Gespräche in der Familie zu Papier bringt. Dazu bringe Franzen, auf den Spuren der großen Realisten des 19. Jahrhunderts (Steinfeld nennt Stendhal als zentrale Vergleichsgröße), "ein Universum von Wissen und Kenntnissen" in seinen Roman ein. Auch formal deutet der Rezensent das Buch als triumphale Rückkehr ins 19. Jahrhundert, als ein Werk, das im Wissen um die literarische Moderne noch einmal der große amerikanische Gesellschaftsroman sein möchte. Dass Franzen dies Unterfangen gelungen ist, daran lässt Steinfeld in seiner hymnischen Kritik keinen Zweifel. Er lobt nicht nur "Witz, Ironie und stupende Beobachtungsgabe" des Autors, er feiert das Werk auch ohne jede Scheu vor großen Worten als "Denkmal des Humanen", als "einen der größten und wichtigsten Romane der jüngsten Zeit".
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