Eugen Ruge

In Zeiten des abnehmenden Lichts

Roman einer Familie
Cover: In Zeiten des abnehmenden Lichts
Rowohlt Verlag, Reinbek 2011
ISBN 9783498057862
Gebunden, 432 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Von den Jahren des Exils bis ins Wendejahr 89 und darüber hinaus reicht diese wechselvolle Geschichte einer deutschen Familie. Sie führt von Mexiko über Sibirien bis in die neu gegründete DDR, führt über die Gipfel und durch die Abgründe des 20. Jahrhunderts. So entsteht ein weites Panorama, ein großer Deutschlandroman, der Geschichte als Familiengeschichte erlebbar macht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.10.2011

Zwecklos, das ganze Personal hier aufzufächern, wie Angelika Overath es versucht. Eugen Ruge lässt einfach zu viele Figuren auftreten und wiederkehren, als dass es in eine Besprechung zu fassen wäre. Dass Ruges mehrere Generationen umfassende Familiensaga aus dem kommunistischen Deutschland eine eindrückliche Leseerfahrung ist, macht uns Overath vor allem klar, indem sie auf Ruges dramaturgisches Talent verweist, die Fähigkeit, Tempo, Schnitt und Pointe, Figuren und sichere Dialoge souverän zu handhaben, um dieses "Großprojekt" in den Griff zu kriegen. Am Ende, wenn Patriarchen und Systeme dahingegangen sind, hat Overath nicht nur eine spannende Chronik der Wende gelesen, sondern auch einen melancholischen Text über Vergänglichkeit, der jegliche Ideologie relativiert.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.10.2011

Im Aufmacher der Zeit-Literaturbeilage widmet sich Iris Radisch den drei Romanen von Oskar Roehler, Josef Bierbichler und Eugen Ruge, denen Radisch zufolge eines gemein ist: die Familie entthront in ihnen das Ich als Souverän. Eugen Ruges Vater Walter gehörte als Historiker zum intellektuellen Establishment der DDR, doch geht es dem Autor nicht um die ideologischen Verirrungen seines Vaters oder um Schuldzuweisungen, sonder im Gegenteil um die Versöhnung mit der Kriegsgeneration. Der Vater erscheint im Roman als ein Mann, der im Gulag die Zähigkeit erprobte, die es brauchte, um die Familie zusammenzuhalten. Ruge gehe es um die Schaffung eines Erinnerungsraumes, "jenseits von Schuld und Sühne", erklärt Radisch, die jedoch nicht sagt, wie überzeugend sie das findet. Sie bemerkt allerdings, dass Ruge sein Buch weitaus feiner orchestriert habe als etwa Oskar Roehler.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.09.2011

DDR-Geschichte von 1952 bis 1989 hat Rezensent Harald Jähner hier gelesen, und zwar in Form einer sich über vier Generationen erstreckenden Familiensaga, die ihn in den Bann gezogen hat. Das "abnehmende Licht" im Titel bezieht Jähner dabei auf die ursprünglichen Verheißungen der kommunistischen Idee, die im Laufe der Jahre realsozialistisch eingetrübt würden. Die vier Generationen der Romanfamilie spiegeln diese kontinuierliche Verdunkelung wieder, schreibt Jähner: Ist der Großvater eingefleischter Parteigänger und der Vater immerhin noch jemand, der sich arrangiert, wird der Enkel zum Republikflüchtigen, während sich der der Urenkel primär für Saurier interessiert. Ideologische Grabenkämpfe würden jedoch nicht ausgewalzt, versichert der Rezensent. Das sei auch gar nicht nötig "weil die Politik sich eingenistet hat in die familiären Beziehungen". Und auch die Tatsache, dass der Autor über seine Figuren nicht urteile, sondern schlicht und ergreifend erzähle, erfreut den westdeutschen Kritiker, den die DDR-Elite letztlich an das Establishment der 70er Jahre erinnert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 01.09.2011

Auch wenn Jörg Magenau das Genre des historischen Familienromans des 20. Jahrhunderts in der letzten Zeit ziemlich überbeansprucht sieht - dieser Roman, der von 1952 bis zum Anfang des Jahres 2001 reicht, hat ihn voll und ganz begeistert. Er erzählt aus wechselnden Perspektiven von drei Generationen einer Familie im mexikanischen Exil, in der Sowjetunion und in der DDR, wobei im Zentrum das Fest zum 90. Geburtstag des Familienpatriarchen steht, lässt der Rezensent wissen. Die Utopie des Sozialismus und ihr Scheitern ist der rote Faden der Schilderungen und hier nimmt es den Rezensenten ungemein für den Roman ein, dass er nicht aus historischer Überlegenheit oder auf Kosten der Figuren seine nicht unerhebliche Komik entwickelt. Als erzählerischen Kniff weiß Magenau zu würdigen, wie der auktoriale Erzähler aus ständig neuem Blickwinkel von dem Familienfest erzählt und so Sicht und Eigenart der Personen plastisch herausstellt. Überhaupt findet er insbesondere Ruges Fähigkeit zur Einfühlung und die geradezu "liebevollen" Beschreibungen seiner Figuren höchst sympathisch. Und wenn schon die Zeichnung des Scheiterns einer Utopie alles andere als "neu" ist, in den Augen des Rezensenten gelingt sie in der stets anderen Perspektive seiner Protagonisten und verdient damit wohl das Prädikat "große Literatur", wie Magenau schwärmt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 01.09.2011

Iris Radisch ist begeistert von Eugen Ruges "DDR-Buddenbrook-Roman", der die Geschichte und den Verfall einer Familie aus dem intellektuellen Establishment der DDR erzählt. Eugen Ruges Debütroman ist auch Teil seiner eigenen Geschichte, die der Sohn des Historikers Wolfram Ruge nicht als Rechtfertigungsversuch geschrieben hat, wie Radisch anmerkt. Ruge geht es nicht um die Rettung eines Milieus, dessen Ideale nach der Wende plötzlich nichts mehr galten, sondern um die "literarische Bergung dieser zum Untergang verurteilten Lebensentwürfe" wie Radisch es ausdrückt. Hat der Systemwechsel trotzdem alles überflüssig werden lassen, alle theoretische Arbeit die Ruges Vater in der DDR geleistet hat? Dazu liefert Ruge keine Thesen oder Erklärungsversuche. Zum Glück findet Radisch, denn so gelingt Eugen Ruge etwas, das geschichtlich betrachtet paradox klingt, literarisch dafür aber umso wirksamer ist: die atmosphärische Desillusion.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.08.2011

Ganz hingerissen zeigt sich Rezensent Dirk Knipphals von Eugen Ruges Roman "In Zeiten des abnehmenden Lichts". Dabei hat er durchaus einige kleinere Einwände. Als DDR-Roman nämlich scheint ihm das Werk, das die Geschichte einer Familie über vier Generationen, durchaus "konventionell". Da gibt es eine Reihe von Szenen, die ihm aus der "DDR-Aufarbeitungsliteratur" bekannt vorkommen: Grundausbildung beim DDR-Grenzschutz, Trabbifahren, Weihnachtsfeste, Tauschhandel, schlechte Restaurants und ein Gang durch den winterlichen Prenzlauer Berg in den siebziger Jahren. All diese Szenen findet er geradezu "großartig", in der Summe dann aber fast zu "akkurat" erzählt. Richtig begeistert hat ihn an dem Buch, wie Ruge die Familiengeschichte erzählt: höchst gekonnt, multiperspektivisch sowie ohne "Nach-Wende-Ironie" oder "dissidentischen Furor", sondern mit großer Umsicht und Gelassenheit. Vor allem zeigt das Buch für ihn Familie als einen Erzählzusammenhang, aus selbstgebastelten und mehr oder weniger erfundenen Geschichten. In dieser Hinsicht geht das Werk für Knipphals weit über einen konventionellen DDR-Roman hinaus.