Swetlana Alexijewitsch

Die letzten Zeugen

Kinder im Zweiten Weltkrieg. Übersetzung
Cover: Die letzten Zeugen
Hanser Berlin, Berlin 2014
ISBN 9783446246478
Gebunden, 304 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Ganna-Maria Braungardt. Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sprechen Männer und Frauen, die beim Einmarsch der Deutschen in Weißrussland noch Kinder waren, zum ersten Mal darüber, woran sie sich erinnern. Ihre erschütternden Berichte vom Krieg machen "Die letzten Zeugen" zu einem der eindringlichsten Antikriegsbücher überhaupt. Oft sind diese Erinnerungen nur Bruchstücke, und doch haben diese Kinder Dinge gesehen und erlitten, die niemand, am allerwenigsten ein Kind, sehen und erleiden dürfte. Alexijewitsch erweist sich einmal mehr als begnadete Zuhörerin und große Chronistin, die es versteht, den Erfahrungen von Menschen in Extremsituationen, im Ausnahmezustand einen einzigartigen Resonanzraum zu verschaffen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.12.2014

Passend in das Jahr 1914 scheint Cord Aschenbrenner dieser Band von Swetlana Alexijewitsch. Aschenbrenner bemängelt zwar, dass der Verlag der überarbeiteten Neuausgabe dem Leser die Editionsgeschichte dieses erstmals 1989 in der DDR erschienenen Buches vorenthält, seinen Inhalt jedoch findet der Rezensent erschütternd und beklemmend. Die Autorin versammelt hier die Berichte von Russen und Ukraninern, die sich an den Einmarsch der Deutschen 1941 erinnern, laut Aschenbrenner brutale Einzelheiten, authentisch und erschreckend. Diese Wirkung beziehen die Texte für den Rezensenten zum einen durch die quasi literarische Bearbeitung durch die Autorin, zum anderen aber durch einen verbleibenden starken Anteil an Authentizität, der laut Aschenbrenner dadurch entsteht, dass die Interviewten über ihre Erinnerungen hinaus keine Gestalt annehmen, Erinnerungen, die Aschenbrenner so schnell nicht mehr vergisst.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.08.2014

Mit einigem Interesse liest sich Rezensent Tim Neshitov durch die sehr nüchternen, ohne Ausschmückungen präsentierten Interviews, die Swetlana Alexijewitsch seit den 70er Jahren mit Weißrussen über deren Kindheitserinnerungen an den Zweiten Weltkrieg geführt hat. Darin offenbart sich dem Kritiker nicht nur etwas über das Grauen des Krieges, sondern auch etwas über das Erinnern selbst: Man erfährt nicht, wann die Interviews geführt wurden und auch nur wenig über die Gesprächspartner selbst - so hört man, schreibt Neshitov, Kinderstimmen, obwohl Erwachsene hier sprechen, die sich Jahrzehnte nach den Erfahrungen von Hunger, Kälte und Not an manches oft nur unzulänglich erinnern können: Denn "die Erinnerung (...) ist selten dokumentarisch" und so gewinnt man hier eine Perspektive auf den Zweiten Weltkrieg durch mehrere, gestaffelte Filter, erklärt der Kritiker: Er identifiziert den Filter traumatisierender Ereignisse, den Filter der mit einigem Sprachgefühl gesegneten Autorin und nicht zuletzt den Filter der Übersetzerin Ganna-Maria Braungardt, der Neshitov im übrigen eine gute Leistung attestiert.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.08.2014

Dieses Buch erschien 1989 zum ersten Mal in einem DDR-Verlag und ging unter, erzählt Rezensentin Cornelia Geissler. Nun bringt Hanser Berlin es nochmal in einer aktualisierten Fassung heraus. Alexijewitsch hat Zitate, die sie in der Gorbatschow-Ära noch der Zensur opferte, nun eingefügt, und sie hat einige der damals Interviewten wiedergetroffen. Geissler erzählt beeindruckend, wie Alexijewitsch aus ihren auf knappen ein bis zwei Seiten erzählten Geschichten ein Panorama der Kriegsdüsternis entfalte, das in der Sowjetunion damals als "antikommunistisch", weil nicht geschichtsfromm wahrgenommen wurde. Geissler ist dem Verlag dankbar, dass er dieses Buch dem Vergessen entrissen hat, hätte sich allerdings ein wenig mehr editorischen Aufwand gewünscht.