Tanguy Viel

Selbstjustiz

Roman
Cover: Selbstjustiz
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2017
ISBN 9783803132901
Gebunden, 168 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Martial Kermeur ist des Mordes angeklagt. An einem einzigen Tag, Auge in Auge mit dem Richter, erzählt er die Geschichte seines Lebens in einer kleinen bretonischen Stadt am Meer, von der gescheiterten Ehe mit France und von seinem Sohn Erwan, den er allein aufgezogen hat. Er ist ein einfacher und bescheidener Mann, der das alte Gutshaus verwaltet, bis es einer Großbaustelle weichen muss. Seinem Sohn will er ein Vorbild sein und ihm nicht das Gefühl vererben, auf der Seite der Verlierer zu stehen. Und doch scheitert Kermeur an den eigenen Hoffnungen. Er wird von dem Immobilienspekulanten Antoine Lazenec schmählich betrogen, dem es über Jahre hinweg gelungen ist, buchstäblich die ganze Stadt mit einer gläsernen Chimäre hinters Licht zu führen und so Gemeinde wie Kleinanleger finanziell zugrunde zu richten.

Im Perlentaucher: Das Saint Tropez der Bretagne

Sehr feinsinnig und sprachlich sehr elegant zeichnet Viel das Bild dieses kollektiv beschämten Küstendorfs. Zugleich erzählt er auf schlanken 170 Seiten die Tragödie eines verzweifelten Mannes, der zum Mörder wird, mit Gewissen, aber ohne schlechtes. Thekla Dannenberg in Mord und Ratschlag

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.12.2017

Paul Jandl hat viel übrig für Tanguy Viels kleinen Roman um ein Immobilienprojekt an der bretonischen Küste, um einen scheiternden sozialistischen Bürgermeister, Möwen und gefühlte und tatsächliche Wahrheiten. Nicht alles scheint ihm realistisch und nachvollziehbar in dem Text, manches sogar kitschig. Doch die zarte Poesie des Krimis, seine Momente kleiner wie großer Tragik und der für den Rezensenten spürbare Versuch der Figuren, sich Wirklichkeit zurückzuerobern, rühren Jandl an.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.12.2017

So einen klugen, "harmlosen" und integeren Mörder wie Martial Kermeur hat Rezensent Hans-Peter Kunisch bisher noch nicht kennengelernt. Überhaupt überrascht ihn Tanguy Viels Kriminalroman "Selbstjustiz" immer wieder. Denn die Geschichte um besagten Kermeur, der den zwielichtigen Investor Lazenec bei einem Bootsausflug über Boot wirft, nachdem dieser ein halbes Dorf um sein Vermögen gebracht hat, und der sich nun vor Gericht verantworten muss, besticht durch detail- und andeutungsreiche Beobachtungen, geschickt gesetzte Verzögerungen und "trockenen Humor", erklärt der Kritiker, der zudem staunt, wie Viel Spannung aufbaut, ohne klassische Whodunnit-Erwartungen zu bedienen. Darüber hinaus lobt der Rezensent nicht nur Hinrich Schmidt-Henkels Übersetzung, sondern bewundert auch die gelungene Verbindung von Krimi, politischen und philosophischen Reflexionen.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 24.11.2017

Rezensent Elmar Krekeler mag die Bilder und Sätze von Tanguy Viel, die dahinrauschen wie eine "Meeres- und Möwen-Metapherngischt". Entsprechend erfreut liest der Kritiker den neuen Krimi des französischen Schriftstellers, den er eigentlich nicht als Kriminalroman bezeichnen möchte. Denn die Geschichte um den alleinerziehenden, arbeitslosen und "braven" Kermeur, der in einer kleinen französischen Gemeinde lebt, bis ein windiger Makler vorbeikommt, der den Dorfbewohnern falsche Versprechungen macht und bei einem gemeinsamen Bootsausflug mit Kermeur ums Leben kommt, ist nicht zuletzt eine scharfsinnige Gesellschaftsanalyse, lobt der Rezensent, der hier auch einiges über das französische Strafrecht lernt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 14.10.2017

Katrin Hillgruber trifft in Tanguy Viels Roman auf die Struktur des klassischen Krimis. Diese Struktur weiß Viel allerdings anders als gewöhnlich zu füllen, erklärt Hillgruber. Eher handlungsarm, eher reflexive Erzählung, eher Monolog vor der Richterbank scheint ihr der Text zu sein. Gut gefallen haben ihr die "herbschönen", symbolisch aufgeladenen Naturmetaphern von der bretonischen Küste, eine dezente politische Symbolik (es geht um Turboinvestment in einer strukturschwachen Gegend und einen toten Immobilienhai im Meer) sowie der sympathische Fatalismus, der laut Rezensentin im Text wirksam ist.