Tiziano Scarpa

Stabat mater

Roman
Cover: Stabat mater
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2009
ISBN 9783803132253
Gebunden, 138 Seiten, 16,90 EUR

Klappentext

Die Geschichte eines Waisenmädchens in Venedig: Cecilia spielt virtuos die von Vivaldi für sie komponierten Stücke. Sogar das Frühlingszwitschern einer Schwalbe kann sie auf der Geige nachahmen - doch was nützt das, da sie nicht weiß, wer sie selber ist. Venedig im 18. Jahrhundert. Im Ospedale della Pieta, einem Kloster und Waisenhaus, können Neugeborene abgelegt werden, deren Mütter unerkannt bleiben wollen. So ergeht es einem kleinen Mädchen namens Cecilia. Sie wächst heran und spielt Violine im Orchester des Waisenhauses, das unter den Italienreisenden der Zeit berühmt ist. Als Cecilia etwa fünfzehn Jahre alt ist, beginnt sie, nach ihrer Mutter, ihrer Herkunft und Identität zu fragen. Nachts durchstreift sie ruhelos die verstecktesten Winkel des Klosters, schreibt Briefe an die unbekannte Mutter und kommt dabei verstörenden Geheimnissen auf die Spur. Ihr Leben ändert sich, als ein neuer Violinlehrer im Waisenhaus eintrifft. Es ist der Komponist Antonio Vivaldi. Er erkennt Cecilias großes Talent, komponiert Sonaten für sie und verspricht, eine gefeierte Musikerin aus ihr zu machen. Sie wird zur Konkurrentin des Meisters. Aber Cecilia entzieht sich und wählt einen anderen Weg: ihren eigenen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.07.2010

Für Niklas Bender ist Tiziano Scarpas Roman über Vivaldi und das Waisenmädchen Cecilia, das der Komponist zur Geigenvirtuosin machen will, augenscheinlich ein überaus mitreißendes Lektüreerlebnis gewesen. Die sonst vom italienischen Autor gewohnte schnoddrige Tonlage ist, insbesondere wenn aus Cecilias Sicht berichtet wird, in diesem Roman von "existentieller Not" und der Auseinandersetzung mit dem Tod geprägt, was nicht immer leicht zu lesen sei, wie der Rezensent einräumt. Wenn aber im zweiten Teil mit Vivaldis Auftreten als Komponist und Dirigent des Waisenhauses die Musik Cecilia ergreift, bleibt Bender nicht unberührt und fühlt sich tief hineingezogen in den Konflikt zwischen Kunst und Leben, den das Mädchen für sich entscheiden muss, wie er verrät. Das geht nicht immer völlig pathosfrei über die Bühne, gibt der Rezensent zu, alles in allem aber zeigt er sich von der "atemlosen Beiläufigkeit", mit der Scarpa diese Entscheidung inszeniert, völlig begeistert.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.10.2009

Fulminant und zornig verreißt Franz Haas Tiziano Scarpas Roman "Stabat mater" und macht an der Verleihung des italienischen Literaturpreises "Premio Strega" für dieses Buch nicht nur die Verkommenheit des italienischen Literaturbetriebs, sondern die Zerrüttung des ganzen Landes fest. Ihm ist die Lektüre des 130 Seiten kurzen Briefromans um ein Waisenmädchen im Venedig des 18. Jahrhunderts, das nach seiner leiblichen Mutter forscht und vom Komponisten Vivaldi als Violinenvirtuosin entdeckt wird, reichlich lang geworden, wie er schimpft. Sentimentale Rollenprosa, die vielleicht über eine kurze Passage, keinesfalls aber einen ganzen Roman hindurch erträglich ist, und der dominierende "altertümelnde" Gestus einer "geplagten Jungfrau" bringen den Rezensenten richtiggehend in Rage und auch die bemühten Venedigklischees steuern nichts zu seiner Besänftigung bei. Haas ist umso erstaunter, als dass er Scarpa eigentlich als überzeugenden Autor kennen gelernt hat. Was den Rezensenten offensichtlich noch viel mehr erbost als ein missglückter Roman ist die Preisvergabepolitik, mit der die italienischen Großverlage ihr "abgekartetes Maskenspiel" treiben und das Versagen der Literaturkritik vor diesem "Medienspektakel".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 31.08.2009

Als eine der "interessantesten italienischen Neuerscheinungen" empfiehlt Maike Albath den neuen Roman von Tiziano Scarpa, der zwei Geschichten erzähle: die der Musik Vivaldis und die der 15-jährigen Cecilia, die mutterlos im Kloster Ospedale della Pieta aufwächst und sich - bei allem musikalischen Talent - für wenig mehr als ein ausgeschiedenenes Stück Fleisch hält. Im Kloster trifft sie auf den Komponisten, der tatsächlich ab 1703 residierte. Lediglich durch die Augen des Mädchens wird dem Leser Vivalid dargestellt. Albath hält diese Spiegelungen und Verzerrungen für eine geschickte Durchbrechung üblicher "Vivaldi-Klischees"  und bloßer historisierender Romane. Albath hebt zudem den "eingängigen Tonfall" und die "formale Geschlossenheit" des Romans hervor, unangenehm findet sie allerdings die "gendergestählte Weiblichkeitsthematik" (Frauen gebären im Dreck, Musiker in höheren Sphären), zumal Cecilias Unglück recht "abstrakt" bleibe.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de