Lauren Groff

Matrix

Roman
Cover: Matrix
Claassen Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783546100373
Gebunden, 320 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Stefanie Jacobs. Marie ist siebzehn Jahre alt, groß und ungelenk und nach allgemeiner Ansicht ungeeignet für die Ehe und das höfische Leben. Sie verehrt ihre Königin, Eleonore von Aquitanien, doch die verstößt sie mit einem Lächeln: Marie soll Priorin eines abgelegenen Klosters werden, irgendwo im Schlamme Englands, fern von den zärtlichen Zuwendungen ihrer Dienerin. Lebendig begraben in der Gemeinschaft verarmter, frierender, hungernder Nonnen - ausgerechnet sie, die aus einer Familie von Kriegerinnen stammt und alles andere als fromm ist. Doch in der Abgeschlossenheit des Klosters findet Marie für sich und ihre Schwestern ungeahnte Möglichkeiten von weltlichem Einfluss, Wohlstand und neuer Gemeinschaft.Matrix erzählt die Geschichte einer fehlbaren Heldin: einer Frau - kriegerisch, imposant, machtbewusst, hingebungsvoll -, deren Visionen verlorengehen, wie so viele Stimmen starker Frauen im Lauf der Geschichte.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.12.2022

Im Roman von Lauren Groff erkennt Rezensentin Juliane Liebert eine "feministische Vision weiblicher Autonomie in der Epoche der Kreuzzüge". Groff erzählt die Geschichte der 17-Jährigen Marie, gezeugt durch königliche Vergewaltigung. Die junge Frau muss in ein Kloster und verzweifelt über ihr Schicksal. Doch in der kirchlichen Welt der Frauen lernt sie, Gut von Böse zu unterscheiden und ergreift die Chance, sich selbst zu entdecken. Von vier Dingen ist Liebert besonders angetan: Dass dieser Roman keine historisierende Patina aufweise, sondern Groff der so stinkenden wie grausamen Welt sprachlich eine wohltuende "plastische Präsenz" zu geben vermag, dass die Dramaturgie dem Leben in der Abtei folgt, dass es nicht Not tut, die mutmaßlich historischen Frauen, die in der Geschichte auftauchen, als solche zu identifizieren und dass Männer nur Randfiguren sind. Zwar schrappe Groff  manchmal nur haarscharf am Kitsch vorbei, schreibt die Rezensentin, aber die Sexszenen der Novizinnen findet sie so grandios, dass sie mit dem Satz schließt: "Cyndi Lauper hatte eben doch recht: Girls just wanna have fun."
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 12.10.2022

Rezensentin Eva Behrendt ist spätestens seit dem Roman "Licht und Zorn" und der Kurzgeschichtensammlung "Florida" großer Fan der amerikanischen Autorin Lauren Groff. Groffs neuer Roman scheint die Kritikerin aber mindestens herauszufordern. Angelehnt an die historische Figur der Dichterin Marie de France, die vermutlich in der Hälfte des 12. Jahrhunderts lebte, als Autorin der sogenannten bretonischen "Lais" gilt und laut Wikipedia auch die spätere Äbtissin von Shaftesbury gewesen sein könnte, erzählt Groff von einer Nonne, übergroß, "eckig und hässlich", unter deren Führung das Kloster zu einem "Hortus conclusus" gedeiht, ohne Männer, dafür mit freier lesbischer Liebe und radikalem Feminismus. Klingt kitschig? Ist es auch, meint Behrendt. Aber dafür hat Groff als Gegengift viel Krankheit und Tod eingebaut, zu dem Diskurse, die immer wieder auf die Gegenwart verweisen. Ganz deutlich wird nicht, wie die Kritikerin den Roman findet, aber die Heldin, die ein hartes Regiment führt, Schulden zur Not mit Gewalt eintreibt und sich von nichts und niemandem ihre Macht nehmen lässt, scheint sie schon zu faszinieren.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 23.09.2022

Lauren Groff nutzt zwei historische Figuren - die Dichterin Marie de France, die es als Äbtissin nach England verschlägt, und Eleonore von Aquitanien, Königin von England - um ein feministisches Setting zu entwickeln, das es der Rezensentin Dorothea Westphal sehr angetan hat. Es handelt sich hier nicht um eine feminine Version des "Namen der Rose", macht sie gleich klar, sondern um das unsentimentale Porträt einer für den Heiratsmarkt zu groß gewachsenen Protagonistin, die sich in einer "brutalen und irrationalen Zeit" und in einem abgelegenen Kloster mit Ehrgeiz und auch Skrupellosigkeit durchsetzt - gegen die Obrigkeit und gegen die Männer, die in dem Roman laut Rezensentin allenfalls als entlegener Störfaktor vorkommen. Auch stilistisch hat sie diese Versenkung in eine ferne Zeit überzeugt: Durch das durchgehende Präsens der Erzählung erhalte der Roman etwas Zeitloses.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 03.09.2022

Rezensent Wieland Freund freut sich über einen "brandaktuellen" Mittelalterroman von Lauren Groff. Die Autorin zeichnet darin das Leben der Nonne Marie von Frankreich als Selbstermächtigungstrip, erklärt er begeistert, und die Frau als hassende, begehrende und nach Freiheit lechzende Visionärin. Dass Groff für ihre stilistisch "begnadete" Erzählung das Präsens wählt trägt natürlich dazu bei, dass Freund sich im Hier und Jetzt wähnt, nicht im Jahrhundert des Minnesangs. Und auch wenn die Kulisse Freund zunächst an Umberto Ecos "Name der Rose" erinnert, das Buch erscheint ihm doch tollkühner.