Ulf Erdmann Ziegler

Wilde Wiesen

Autogeografie
Cover: Wilde Wiesen
Wallstein Verlag, Göttingen 2007
ISBN 9783835302754
Gebunden, 153 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Die wilden Wiesen der Kindheit kann man nicht vergessen. Überblendet, schwarzweiß, von kuriosen Figuren belebt, erscheinen sie dem Erwachsenen bis tief in den Schlaf. Die "Autogeographie" ist ein Traumprotokoll, eine animierte Landkarte von Orten wie Einfeld, Tungendorf, Orschel-Hagen, Pillnitz, Dorstfeld. Wo? Und warum? Allerweltsorte bauen sich auf als Kulissen, als Phantasmagorie des Erzählers - im einen Moment Miniatur, im anderen Moment ein Erdrutsch. In der Idylle der Großelternstadt verbergen sich Voyeure und Exhibitionisten. Das Kind, auf dem holsteinischen Geestrücken gewiegt, erkennt als Jugendlicher an einem thüringischen Küchentisch das Urbild der Heimat. Der Junge, Deutschland entkommen, entdeckt bei seinen amerikanischen Gastgebern die Fratze puritanischer Vergeblichkeit. Der junge Erwachsene begegnet geistig Behinderten und ihren zynischen Betreuern, eine Grenzerfahrung. Die Skizze der Orte, lakonisch begonnen, bringt schließlich alles zur Sprache: Furcht und Trieb, Hochmut und Schicksal, Slackertum und Bildungshunger. Dahinter zeigt sich der historische Horizont: die deutsche Teilung, das Drama der Flucht, das Auftauchen der Baader-Meinhof-Gruppe, die Ära der Jesuspeople.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.07.2008

Alles andere als eine oberflächliche Durschnittsbiografie hat Thomas Scholz da gelesen. Das liegt nicht so sehr an Ulf Erdmann Zieglers Vita, seinen Kindheits- und Boheme-Erlebnissen in Neumünster und Dorstfeld, als an der Art der Präsentation und am Interesse des Autors am "Unperfekten, Menschlichen". Dass Ziegler die räumliche über die zeitliche Ordnung stellt und so Querverbindungen schafft, etwa zwischen Kneipentouren mit dem Opa und späteren homoerotischen Erfahrungen in der Kölner Szene, hält Scholz für kunstvoll und erfrischend. Zumal ihn die Nähe des Autors zum Geschehen und dessen lakonisch-ironischer Stil intensiv teilhaben lässt an den geschilderten Kindheitserfahrungen.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 31.01.2008

Lässt sich Meike Fessmann zunächst sehr willig auf Ulf Erdmann Zieglers "Autogeografie" ein und lobt den Autor für den "hübschen" Einfall, stellt sich schon nach dem ersten Kapitel Enttäuschung und Unwillen bei der Rezensentin ein. Ziegler nimmt seine Leser mit auf eine Reise zu den Großeltern, auf Verwandtschaftsbesuch in die DDR, zum Studium nach West-Berlin und zum Auslandsaufenthalt nach Oklahoma, doch was ein exemplarischer Blick zurück in das Leben in der Bundesrepublik hätte werden können, entpuppt sich laut Fessmann als mächtig nostalgisches Schwelgen in der eigenen Vergangenheit. Dazu kämen ein "betulicher" Ton und eine nicht gerade fesselnde Detailbesessenheit, etwa, wenn der Autor die Handhabung eines Kaugummiautomaten in allen Einzelheiten beschreibt, so die Rezensentin gelangweilt. So ist dieses Buch keine "Mentalitätsgeschichte der Bundesrepublik" geworden, wie Fessmann gehofft hätte. Außerdem findet sie, dass ein 1959 geborener Autor seine eigene Geschichte noch nicht mit einem Blick betrachten sollte, den die Rezensentin als "verklärt" und "greisenhaft" bezeichnet.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.01.2008

Mit Lob und Preis überschüttet Rezensent Dirk Knipphals dieses Buch, das er als eindrucksvolle Fortschreibung von Ulf Erdmann Zieglers Debütroman empfand, weil dieser nun die Entstehung seiner Erzählhaltung nachvollziehbar gemacht habe. Schon den Titel findet der Rezensent wunderbar passend für Kindheits- und Jugenderinnerungen aus der Provinz. Wobei den Rezensenten besonders beeindruckt, dass hier ein Autor in seiner Beschreibung das Beschriebene nicht nahe bringt, sondern stattdessen in die Ferne rückt. Zugute kommt dem "schmalen" Buch laut Knipphals auch, dass sich sein Autor als Journalist und Kritiker viel mit Stil- und Architekturfragen befasst hat. Denn über Zimmereinrichtungen könne er in ein, zwei Absätzen ein ganzes Lebensgefühl vermitteln.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.12.2007

Ganz schön, wenn auch nicht überwältigend findet Rezensent Roman Bucheli diese "Autogeografie", denn so richtig neu findet er nicht, was er hier über die Selbstwerdung eines jungen Mannes zu lesen bekam. Immer wieder Eindruck macht hingegen Ulf Erdmann Zieglers spröder und nüchterner Erzählstil, der aus seiner Sicht "durch Entzauberung erst die untergründige Wucht des Geschehens hervortreibt", den Tod von Freunden und Verwandten, erste Enttäuschungen und Ernüchterungen, die trostlose Topografie seiner Kindheits- und Jugendlandschaft. Denn dieser Ton dramatisiere nichts, sondern kühle selbst noch das Existenzielle auf einen merkwürdigen Lakonismus herunter, der für den Rezensenten Farbe und Geschmack dieses Buchs bestimmt - auch weil darin die "Empathie" für die Figuren gewahrt bleibe.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.12.2007

Rezensent Jürgen Verdofsky findet große Worte für Ulf Erdmann Ziegler, den Autor dieser Autogeografie - die mit dem Genre Autobiografie wirklich nur entfernt verwandt sei, weil Orte für Menschen und ihre Geschichten stehen und "die Einblicke fragmentiert bleiben". Wir erfahren zwar einiges über den Autor, lernen ihn aber doch nicht kennen. Verdofsky nennt ihn einen "vollendeten Erzähler, der über seine Generation weit hinaus wirkt." Er gewinnt nach Meinung des Rezensenten "Autorität durch Atmosphäre und Situation, Arrangement und Verfremdung". Dabei setzt er in Verdofskys Augen die richtigen Prioritäten und vermeidet "ausufernde Schulgeschichten". Dafür werde der familiäre Hintergrund, der auch "alle deutsch-deutschen Besonderheiten" aufweist, ergründet. Dabei sei es nicht Zieglers Ansatz nicht, Verständnis zu suchen, sondern zu forschen.
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