William Boyd

Eines Menschen Herz

Roman
Cover: Eines Menschen Herz
Carl Hanser Verlag, München 2005
ISBN 9783446205659
Gebunden, 512 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Chris Hirte. Logan Mountstuart, ein englischer Lebemann, arbeitet als Schriftsteller, Kunsthändler und Spion, lebt und liebt in London, Paris und New York und kreuzt den Weg zahlreicher Berühmtheiten wie Evelyn Waugh (der ihn auf einer Party küsst) und Virginia Woolf (die er entsetzlich zickig findet). Das bewegte Leben eines außergewöhnlichen Mannes und liebenswerten Lebenskünstlers, quer durch das 20. Jahrhundert.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 03.09.2005

Die Rezensentin Susanne Ostwald kann sich kaum erwärmen für Williams Boyds fiktives Tagebuch des Logan Mountstuart. Denn obwohl Boyd besagtem Mountstuart ein ereignisreiches Leben andichte, führe dieser Ereignisreichtum zur "zunehmenden Ermattung" des Lesers. Mountstuart tauche immer da auf, wo sich gerade das Rad der Geschichte drehe, was die Rezensentin an "Forrest Gump" erinnert, doch im Gegensatz zur Ironie des Films scheint es Boyd mit seinem Szenario ernst zu sein. Der Roman verfehle laut Rezensentin das Klassenziel gleich in mehrerlei Disziplinen. Formal scheitere der Roman vor allem an der Wahl des Tagebuchs als erzählerisches Medium. Denn die Form des Tagebuchs tauge einfach nicht für Boyds Zwecke, der beabsichtige, die Historie zum Hintergrund zu machen, vor dem sich Boyds Lebensgeschichte abspielt. Dadurch obliege es nämlich dem Tagebuchschreiber, historische Abrisse in seine Aufzeichnungen zu mischen, was so überfrachtet wie unglaubwürdig wirke. Auch Mountstuarts Begegnungen mit den Großen der Kunstwelt (etwa Pablo Picasso, Ernest Hemingway oder Virginia Woolf) gerate "dürr und leblos" und komme somit wie eine "bloße Parade von grossen Namen und historischen Ereignissen" daher. Auch von einer "Reifung des Schreibers" ,immerhin verstreichen 68 Jahre zwischen Beginn und Ende des Tagebuchs, könne nicht die Rede sein. Und schließlich werde das Tagebuch dem Romanuntertitel, der Intimes verspreche, auch nicht gerecht, da es sich lese, als sei es von Anfang an der Publikation bestimmt gewesen (was nicht gerade zur Glaubwürdigkeit beitrage). Als Fazit hält es die Rezensentin mit Wilhelm Busch: "Du siehst Logans (massgeschneiderte) Weste, nicht aber sein Herz."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.08.2005

Ganz zum Schluss hat Barbara von Becker den Helden dieses Tagebuchromans dann doch schätzen gelernt. Doch bis dahin sind 66 Jahre vergangen und mehr als 500 Seiten, bei denen sie sich nicht sicher war, ob William Boyds Experiment, einen Roman in Form eines Tagebuchs zu schreiben, wirklich geglückt ist. Dabei fährt Boyd einiges auf, wie Becker erzählt: Held ist Logan Mountstuart, der zunächst frühen Ruhm als Shelley-Biograf erlang, in den englischen Landadel einheiratete, als Berichterstatter in den Spanischen Bürgerkrieg ging, Leutnant beim Secret Service wurde und schließlich als Kunsthändler dem internationalen Jetset frönte. Ein ganzes "Panorama der Moderne und Postmoderne" entwerfe Boyd hier, das Virginia Woolf, Ernest Hemingway, Jackson Pollock und Pablo Picasso umfasse, drei Ehefrauen natürlich und zum Schluss gar britische RAF-Sympathisanten. Nur langsam reife Mountstuart von einer Figur zu einem Charakter heran, bedauert die Rezensentin, zu oft sah sie die Notate in dandyhafter Nonchalance oder schlichter Eintönigkeit haften bleiben. Aber schließlich ist sie doch versöhnt mir diesem Mann, der sein Leben lang dem "eigenen Künstlertum" vergeblich hinterhereilte.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.08.2005

Stephan Maus überschlägt sich vor Begeisterung über William Boyds neuen, "herrlich altmodischen" Roman. Mokiert er sich anfänglich noch über die "große Illusionsmaschinerie" des "gestriegelten Engländers", kann er später kaum genug bekommen von den Tagebüchern und Romanen des fiktiven Autors Logan Mountstuart. Dieser trinkt und schreibt sich durch die Londoner, New Yorker und Pariser Kunstszene der zwanziger Jahre bis heute, trifft auf zeitgenössische Bekannte und kommt laut Maus wie ein "geschmeidiger James Bond mit dem ästhetischen Sensorium eines Marcel Proust" daher. Die Geschichte spielt in Uruguay, London, Paris und New York; Martinis, Virginia Woolf, spanischer Bürgerkrieg, deutsche RAF - all das kommt vor, lesen wir staunend. Und das beste, so Maus: Nicht eine Technik des modernen - oder gar postmodernen - Romans wird verwendet, statt dessen fünfhundert "süffig" geschriebene Tagebuchseiten, die dennoch die Kompliziertheit der Moderne beschreiben. Der Rezensent ist begeistert von der schnörkellosen klaren Sprache Boyds und fordert: "Mehr davon".
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 28.05.2005

Ausnehmend gut hat Gerrit Bartels William Boyds "fesselnde" Lebensgeschichte von Logan Montstuart gefallen, sogar besser als Boyds fiktive Biografie des Malers Nat Tate. Denn zwar werden in dem neuen Buch wieder historische Fakten und literarische Konstrukionen vermischt, aber nicht so verwirrend wie in den Vorgängern. Boyd hält sich diesmal zurück und verbindet "ganz unaufdringlich" Literatur, Sekundärliteratur und Wirklichkeit. Und so kann Bartels sich auch "entspannt" auf das spannende Leben des Schriftstellers Monststuart einlassen, der sich von einem bummelnden Glückspilz zu einem gebrochenen Melancholiker voller Zweifel verwandelt. "Toll" findet es der Kritiker, wie Boyd aus der "kunstlosen" Tagebuchform einen "großartigen Lebensroman" hervorbringt. Trotz aller Anspielungen und "Spiegelfechtereien" stehe dabei immer Logans Tragik im Mittelpunkt, was die Geschichte für den begeisterten Bartels so "bewegend" werden lässt.