Michael Ondaatje

Kriegslicht

Roman
Cover: Kriegslicht
Carl Hanser Verlag, München 2018
ISBN 9783446259997
Gebunden, 320 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Anna Leube. Nach Kriegsende wird der vierzehnjährige Nathaniel mit seiner Schwester Rachel von den Eltern in London zurückgelassen. Der geheimnisvolle "Falter", der sie in Obhut genommen hat, und dessen exzentrische Freunde kümmern sich fürsorglich um sie. Wer aber sind diese Menschen wirklich? Und was hat es zu bedeuten, dass die Mutter nach langem Schweigen aus dem Nichts wieder zurückkehrt? "Meine Sünden sind vielfältig", wiederholt sie, mehr gibt sie nicht preis. Als er erwachsen ist, beginnt Nathaniel die geheime Vergangenheit seiner Mutter als Spionin im Kalten Krieg aufzuspüren.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.08.2018

Lothar Müller hält sich an die Perlen, die er im kaleidoskopischen neuen Roman Michael Ondaatjes entdeckt. Da sind das Spiel mit Formen, das genaue Rekapitulieren des Bombenkrieges über London, die Fortsetzung der Erzählung aus Kindheit und Jugend aus Ondaatjes "Katzentisch" von 2011, "hinreißende" Nebenfiguren und Passagen, in denen "Orte, Landschaften, Stimmungen die Hauptrolle spielen". Ondaatjes Versuch, Coming-of-Age-Erzählung, Familiengeschichte und Agententhriller miteinander zu verbinden, findet Müller hingegen problematisch. Der Agentenroman endet im "Niemandsland zwischen Zeitgeschichte und Kolportage", meint er.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.08.2018

Tobias Döring empfiehlt Michael Ondaatje als nächsten Kandidaten für den Literaturnobelpreis (falls der demnächst mal wieder vergeben wird). Ondaatjes neuer Roman, den Döring als Anknüpfung an den "Der englische Patient" liest, fasziniert den Rezensenten jedenfalls sehr. Packend, wie der Autor die Nachkriegswelt aus Schmugglern, Spionen und Ruinen entwirft, findet er, wie er Adoleszenzgeschichte und Spionagethriller verbindet. Die größte Freude macht Döring das Entwirren erzählerischer Knoten, das der Autor dem Leser überlässt, Bruchstücke, Wahrheitsmomente, "magisch-suggestive" Andeutungen und Nuancen. Für Döring die Stärke des Autors. Anna Leubes Übersetzung preist Döring als register- und gespürreich.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.08.2018

In Michael Ondaatjes Roman "Kriegslicht" geht es laut Rezensent Arno Widmann um den Sohn einer Geheimdienstagentin im Britannien der Nachkriegszeit, der erst spät entdeckt, warum er und seine Schwester immer wieder bedroht wurden und zu ihrem eigenen Schutz bei zwielichtigen Freunden der Familie aufwachsen mussten. Außerdem handele das Buch von einem Freeclimber, der nachts auf Londoner Häuserfassaden anderen Adrenalinsüchtigen begegne. Gerade weil der Roman von Extremsituationen erzählt, kann er umso besser zeigen, wie die Menschen wirklich sind, findet der Rezensent. Außerdem hat ihn die liebevolle Komposition der Geschichte mit ihren vielen Bezügen und Rückbezügen stark beeindruckt. Eine klare Empfehlung ist dem begeisterten Rezensenten fast zu wenig, er sieht den Roman als regelrechtes Muss.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.08.2018

Dieser Roman lässt einen zwiespältigen Rezensenten zurück: Thomas E. Schmidt schätzt die atmosphärische Dichte der ersten Hälfte des Romans und zeigt sich fasziniert von dem historischen Moment, den er erkundet: die unmittelbare Nachkriegszeit in Großbritannien, als noch nicht alle Verhältnisse wieder in den üblichen britischen Klassengegensatz eingerastet sind. Aber die zweite Hälfte, als die Mutter und Geheimagentin in die Welt der zurückgelassenen Kinder zurückkehrt, entzaubert für Schmidt die erste. Die Poesie der "diffusen Bedrohung" wird aufgegeben "zugunsten eine Erdung" in der Kolportage und der Auflösung aller Geheimnisse, die auf Schmidt wirkt, als würde der Autor vor dem eigenen literarischen Talent in die Plattheit des Marktgängigen flüchten.