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Die aufregendsten Politischen Bücher kommen in dieser Saison von zwei Reportern:

Was für ein Stoff! Ian Buruma hat "Chinas Rebellen" besucht, die Dissidenten im amerikanischen Exil, in Hongkong, Singapur, Taiwan und natürlich im Mutterland. Er hat den legendären Wei Jingshen getroffen, die Studentenführer von 1989, Arbeitsrechtler in Schenzhen, Untergrundchristen in der tiefsten Provinz ("Jesus war Demokrat") oder Oppositionspolitiker in Hongkong und Singapur. Mutige, intelligente, wenn nicht brillante Menschen, die einen hohen Preis zahlen mussten. Das Fatale ist nur, dass sie untereinander heillos zerstritten sind, oft missgünstig, meist zynisch. "Manchmal fühlt sich der Beobachter versucht, all diesen Leuten die Pest an den Hals zu wünschen", bekennt der Autor freimütig, der sich diesen "Kindern des Drachen" immer wieder mit Ehrfurcht und Skepsis genähert hat. Die Zeit war ziemlich beeindruckt, der Spiegel erklärt das Buch zur Pflichtlektüre. Nur die FAZ vermisste bei Buruma Verständnis für Chinas kulturelle Eigenart. Eine eigene Meinung bilden können Sie sich mit dieser

Nahezu ehrfürchtig wurde "Die Befehlskette" von Seymour Hersh aufgenommen, für das der Reporter des New Yorker seine inzwischen legendären Berichte über Abu Ghraib noch einmal vertieft, erweitert und dokumentiert hat, und in dem er nachweist, dass die Carte Blanche für die Folterungen in Washington erteilt wurde. Die FR kann Hershs gründliche Recherchen, seinen seriösen Umgang mit Quellen und Informanten nur bewundern. Für die Zeit ist das Buch "mit Abstand das Beste", was bislang über das Innenleben der Regierung Bush geschrieben wurde.

Theoretisch wird es dann mit Francis Fukuyama. In der taz nannte Warnfried Dettling "Staaten bauen" ein "ideenpolitisches Ereignis ersten Ranges". Darin erklärt der amerikanische Politologe die Bildung starker Staaten zur Hauptaufgabe der internationalen Politik in diesem Jahrhundert. Stark soll der Staat sein, aber auch schlank: mit einer effizienten Verwaltung, einem leistungsfähigen Bildungs- und einem verlässlichen Rechtssystem. Sozialausgaben müssen natürlich reduziert werden. In der Zeit vermutet Herfried Münkler zwar, dass der neue Trend zum Staat eher der Angst vor internationalem Terror als dem Verlangen entspringt, Elend und Chaos zu überwinden, gesteht ihm aber durchaus "anspruchvolle Überlegungen" zu. Die FAZ dagegen hält für möglich, dass Fukuyama das Rad neu erfunden hat.

Aufmerksamkeit hat auch der zweite große Konservative der USA auf sich gezogen: Samuel Huntigton fragt in "Who Are We?" () nach der amerikanischen Identität. Deren protestantischen, angelsächsischen Wurzeln sieht er durch eine zunehmende Hispanisierung des Landes bedroht. Die FAZ findet Huntingtons Überlegungen "bedeutend", allerdings auch ein wenig "verbohrt". Claus Leggewie nennt das Buch in der Zeit ein Manifest gegen Einwanderung, gibt aber zu, dass die von Huntington aufgezeigten Probleme tatsächlich bestehen. Positiv wurde Gilles Kepels "Die neuen Kreuzzüge" aufgenommen. Die Zeitungen empfehlen den französischen Politologen als einen profunden Kenner der islamischen Welt. Die FR findet in diesem Buch sehr differenziert beschrieben, wie und warum die Kluft zwischen dem Westen und der islamischen Welt in den neunziger Jahren immer größer wurde, als eine "moralisch-kämpferische" Politik die alte Realpolitik ablöste.

Mit dem aufreißenden Atlantikgraben befassen sich zwei Bücher: Timothy Garton Ash beobachtet in "Freie Welt" () mit Sorge, wie sich Europa und die USA im Zuge des Irakkrieges voneinander entfernt haben, die Zeit hält das Buch für hervorragend geschrieben und ebenso argumentiert. Nicht ganz überzeugt waren die Zeitungen von Jeremy Rifkins "Europäischem Traum" (), nach dem ein friedliches, kooperatives Europa der kulturellen Vielfalt dem aggressiven Kapitalismus der USA überlegen sein könnte. Immerhin fühlten sich einige recht geschmeichelt.


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