Magazinrundschau - Archiv

Caffe Europa

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Magazinrundschau vom 06.05.2008 - Caffe Europa

Am 9. Mai 1978 wurde der christdemokratische Politiker Aldo Moro von Mitgliedern der "Brigate Rosse" ermordet. Antonio Padellaro, Chefredakteur der L'Unita und Chronist der Bleiernen Jahre in Italien, erklärt Alessandro Lanni, wie glücklich sich Italien mit seinen Politikern der Sechziger und Siebziger schätzen durfte, von de Gasperi bis Togliatti. Moro hätte ebenfalls noch Großes schaffen können, meint Padellaro. "Moro arbeitete an einem großen Projekt, an einem strategischen Coup: die Begegnung der katholischen und der kommunistischen Welt. Das wäre der erste wahre Schritt zur Versöhnung dieses Landes gewesen. Die PD (Demokratische Partei von Walter Veltroni) ist eine wenn auch abgeschwächte Konsequenz dieses Denkens. Ein sehr schwieriger Prozess, der von der Kirchenführung außerordentlich hartnäckig bekämpft wurde, der aktuelle Kurs der Kirche zu ethischen Themen ist nichts dagegen. Es gab Aggressionen und Drohungen, Amintore Fanfani wurde wegen der Blockade der Kirche nicht zum Präsidenten gewählt. Moro wurde erschossen, und wir sollten nicht vergessen, dass er auch deshalb entführt wurde, weil einige Parteien nicht wollten, dass Kirche und Kommunisten aufeinander zugehen, Aldo Moro, wie auch immer man ihn sieht, hat etwas gemacht, was Lichtjahre entfernt ist vom heutigen Kleinklein der Politik, an das wir uns schon so gewöhnt haben. Er vertrat eine Vision. Eine Vision, die unserer heutigen Politik so furchtbar fehlt."

Magazinrundschau vom 15.04.2008 - Caffe Europa

Claudio Lazzaro hat eine Dokumentation über die rechtsextreme Splitterpartei "Forza Nuova" gedreht. Wegen einer Klageandrohung kommt "Nazirock" nun nicht in die Kinos, sondern wird nur als DVD vertrieben. Im Gespräch mit Mauro Buonocore erzählt Lazzaro, worum es ihm in seinem Film geht. "Nazirock ist in gewissem Sinne die Fortsetzung der Diskussion, die in 'Camicie verdi' begonnen wurde, meine erste Dokumentation über die Lega Nord. Das Thema ist dasselbe: die Demokratie. In Italien steht die Demokratie immer auf der Kippe und kann fortwährend in Frage gestellt werden. Gewisse politische Phänomene wie die Lega Nord und die extreme Rechte erinnern daran in beunruhigender Weise. Die Idee für den Film kam mir dann während einer ganz bestimmten Szene in 'Camicie Verdi': Der Europaabgeordnete der Lega Nord, Mario Borghezio, erholt sich nach einer Attacke von Autonomen im Krankenhaus, es ruft ihn dauernd jemand an, und ich frage ihn, ob sich schon andere Politiker nach seinem Befinden erkundigt haben. 'Nein', bemerkt er recht kleinlaut, 'keine Politiker, nur Roberto Fiore von 'Forza Nuova' und Alessandra Mussolini.' Die beiden kommen nun auch in 'Nazirock' vor."

Magazinrundschau vom 08.04.2008 - Caffe Europa

Nicht nur in Berlin wird über das neue Prekariat diskutiert, sondern auch in Italien. Nach dem Abschluss des Studiums gelingt es vielen jungen Akademikern nicht, eine feste Stelle zu bekommen, Gelegenheitsjobs und Zeitverträge werden zur Regel. Endlich hat auch das Kino diese "Generation 1.000 Euro" entdeckt, stellt Paola Casella freudig fest. Am populärsten ist Paolo Virzis Film "Tutta la vita davanti", der laut Casella die schleichende Entwürdigung des prekären Arbeitnehmers recht gut illustriert. "Das einzige, was man Virzi vorwerfen könnte, ist die Schilderung des Call Centers in Science-Fiction-Manier als kubrickschen Ort. So können sich die Zuschauer, die nicht der Generation 1.000 Euro angehören, noch vormachen, dass hier nur von Extremformen erzählt wird, und nicht von der Realität der meisten Jungen (und nicht mehr so Jungen): Anwälte, Ärzte, Journalisten, Postboten, Ministerialangestellte."

Giampaolo Pansa, italienischer Schriftsteller und Journalist, macht im Gespräch mit Elisabetta Ambrosi das verlotterte Bildungssystem für die verlotterten Sitten verantwortlich. "Zuallererst müssen man an allen Fakultäten die Studentenzahl auf ein bestimmtes Maß beschränken, nicht nur an den Wirtschaftsschulen, sondern an allen Hochschulen. Die philosophische Fakultät in Modena zum Beispiel dürfte nicht mehr als vierzig Studenten im Jahr zulassen. Die anderen bleiben draußen. Zweitens müsste man strengstens überwachen, wie sich die Angestellten benehmen. Es darf keine Tändeleien zwischen Studenten und Dozenten geben!"

Magazinrundschau vom 01.04.2008 - Caffe Europa

1886 erschien Edmondo de Amicis Jugendroman "Cuore", das Tagebuch eines Zehnjährigen zur Zeit der italienischen Einigung. De Amici wurde berühmt und gilt seither in Italien als konservativer "Vater des Vaterlandes". Zu Unrecht, meint David Bidussa. Denn in seinen späteren Jahren habe sich der erfolglose Militär und gefeierte Schriftsteller zum Sozialisten gewandelt: "Im kollektiven Gedächtnis ist De Amicis als Vertreter eines Italiens der Traditionen eingegraben. Aber das war er überhaupt nicht, eher im Gegenteil. Er war ein Sozialist und Freund von Filippo Turati, auch in den Monaten nach der Haft nach Bava Beccarsis Gemetzel von Mailand im Mai 1898 (die Reaktion auf den 'Aufruhr des Magens'), als viele sich von der Bewegung distanzierten. Er war Mitarbeiter der 'Critica sociale' und der 'La Lotta di Classe", in den Jahren in denen die sozialistische Partei immer noch als gefährlich betrachtet wurde."

Magazinrundschau vom 11.03.2008 - Caffe Europa

Von 1909 bis 1926 erschien das monatliche Magazin Lucciola ("Glühwürmchen" oder "Straßenmädchen"), ein schillerndes Projekt früher Feministinnen in dem damals noch stark ländlich und katholisch geprägten Italien, wie Francesco Roat berichtet. "Jede einzelne Ausgabe in schöner Schrift gedruckt, zum größten Teil von Frauen zusammengestellt (es gab aber auch männliche Beiträger), die ihre Beiträge mit einem Pseudonym unterzeichneten, war ein etwa 300 Seiten starkes Heft, das mit Zeichnungen, Fotografien, Drucken, Skizzen, Karten und schließlich Stickereien angefüllt war. Lucciola hatte aber auch einen umfangreichen Literatur- und Kulturteil zu bieten. Und es gab Reportagen und Rubriken wie etwa 'Referendum' - in der Debatten über Mode, sozial-kulturelle Werte und auch Politik angestoßen wurden - oder jene mit dem Titel 'Buchempfehlungen von Straßenmädchen', in der natürlich nicht nur Liebesromane behandelt wurden."
Stichwörter: Skizzen, Stickerei, Liebesromane

Magazinrundschau vom 04.03.2008 - Caffe Europa

David Bidussa erinnert Tariq Ramadan und alle jene, die die Einladung israelischer Schriftsteller zur Buchmesse in Turin kritisierten, daran, dass es in den arabischen Ländern immer noch weit mehr zu kritisieren gibt als in Norditalien. "Die Attitüde von Tariq Ramadan und der Vereinigung der arabischen Schriftsteller ist nicht so sehr fragwürdig in dem, was sie sagen, sondern vor allem durch das, was sie nicht verteidigen, nämlich die Freiheit. In den Tagen, in denen Tariq Ramadan den Boykott der Buchmessen von Turin und Paris forderte, wurde Milan Kundera auf der Buchmesse in Kairo zensiert und seine Bücher nicht zugelassen. Keiner von denen, die sich als große Verteidiger der Freiheit präsentieren und die Unterdrückung geißeln - allen voran Tariq Ramadan - keiner hat sich die Zeit genommen, hat Worte gefunden oder einen Weg, aus dem Klagechor über Israel auszuscheren, um in Kairo für die Freiheit des Buches einzutreten."